20. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber im Deutschen Bundestag

Rede im Deutschen Bundestag, 13. November 2015

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Uhr tickt! Es sind nur noch 18 Tage bis zum Beginn der entscheidenden Klimakonferenz in Paris. Jedes Jahr kurz vor entscheidenden Klimaverhandlungen haben wir hier im Bundestag eine Debatte dazu. Wir haben einen Antrag erarbeitet, in dem wir unsere Forderungen an die internationale, europäische und nationale Ebene formulieren.

National und europäisch haben wir uns ambitionierte Klimaziele gesetzt. Nun müssen auch die anderen Staaten der Welt nachziehen, damit es in Paris gelingt, ein ambitioniertes verbindliches Abkommen zu verabschieden. Allein können wir das Weltklima nicht retten. Wir brauchen auch die anderen Staaten dieser Welt.
In Medienberichten wird teilweise pessimistisch auf den Istzustand geblickt. Aber meiner Meinung nach stehen die Zeichen gar nicht so schlecht. Warum? Gerade in diesem Jahr haben wir einige sehr gute und sehr wichtige Schritte voran gemacht. Es ging ein Ruck durch die Staaten der Welt.

Erstens. Wir haben auf dem G-7-Gipfel in Elmau unter deutscher Ratspräsidentschaft erreicht, dass die Industrienationen sich zu dem 2-Grad-Ziel bekennen und auch betonen, dass tiefe Einschnitte erforderlich sind. Dafür streben die wichtigsten Industrienationen der Welt den Umbau der Energiewirtschaft bis 2050 und die Dekarbonisierung im Laufe des Jahrhunderts an.

Zweitens. Dieser Schwung hat sich positiv ausgewirkt. Denn momentan sind es schon rund 160 Staaten, die ihre nationalen Klimaziele vorgelegt haben. Und darunter sind auch große Staaten, die bislang bei Kioto II noch nicht dabei waren, wie Amerika, Russland, Japan, Kanada, und auch viele kleine Staaten wie Haiti, die Malediven oder viele kleine afrikanische Länder. Wir haben jetzt viermal so viele Staaten, wie bei Kioto II dabei waren. Damals waren es 37, jetzt sind es bereits rund 160. Das ist ein zweiter wichtiger Zwischenerfolg.

Aber es ist kein Geheimnis - die Ministerin hat es schon gesagt -: Die bislang vorgelegten nationalen Klimaziele reichen in Bezug auf die 2-Grad-Obergrenze noch nicht aus. Aber an dieser Stelle will ich eines ganz klar sagen: Paris ist nicht der Endpunkt. Paris ist ein Zwischenziel, ein Zwischenschritt, ein wichtiger Zwischenschritt. Das Abkommen muss jetzt den Weg aufzeigen, das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Deswegen brauchen wir Überprüfungsmechanismen, wie es auch die europäischen Umweltminister gefordert haben. Diese Überprüfungsmechanismen müssen zum einen garantieren, dass die Vertragstaaten ihre Minderungsverpflichtungen erfüllen. Zum anderen muss aber auch das Ambitionsniveau alle fünf Jahre überprüft werden mit dem Ziel, dass die Vertragstaaten regelmäßig aktualisierte Klimaziele vorlegen.

Die Grünen fordern jetzt ebenso wie die Linken, dass wir noch eine Schippe drauflegen
und das EU-Klimaziel nachbessern.Aber an dieser Stelle muss ich sagen: Es kann doch nicht sein, dass wir jetzt unser Ziel nachschärfen, wenn die Beiträge aller Staaten nicht ausreichen, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen.

Dadurch nehmen wir den Druck von den anderen Vertragstaaten. Das kann nicht unser Weg sein. Das wäre jetzt vor der Konferenz in Paris genau das falsche Signal. Wir brauchen die anderen Staaten dieser Welt. Wir haben unseren Beitrag geleistet und kämpfen jetzt dafür, dass diese Ziele umgesetzt werden.

Europa hat sich ambitionierte Ziele gegeben. Es ist kein Geheimnis, dass Deutschland über diese europäischen Ziele hinausgegangen wäre, was zum Beispiel die nationalen Beiträge im Bereich der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien angeht. Da hätten wir von deutscher Seite aus durchaus noch mehr gewollt.

Aber eines ist klar: Wenn jetzt gefordert wird, dass Europa seine Ziele nachschärfen muss, dann müsste Deutschland wieder die Hauptlast tragen. Das wiederum wäre schlecht für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auf dem europäischen und auf dem weltweiten Markt. Die Überprüfbarkeit ist jetzt insofern der richtige Weg, dass alle liefern müssen, dass alle kontrollieren und dann nachbessern müssen. Aber alle Staaten sind gefordert. Das soll an dieser Stelle meine klare Botschaft sein.

In Paris müssen wir es übrigens auch schaffen, dass nicht nur die Industrienationen mitmachen, sondern auch die Entwicklungs- und Schwellenländer. Gerade die Entwicklungs- und Schwellenländer sind vom Klimawandel oft am stärksten betroffen. Erst vergangene Woche hatten wir einen Austausch mit Klimazeugen aus Zentralafrika und von den Philippinen. Genau diese Staaten brauchen unsere Unterstützung.

Auf dem Gipfel in Kopenhagen wurde dazu Wichtiges beschlossen. Die Industrienationen haben sich dazu verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die internationale Klimafinanzierung zu mobilisieren, und zwar aus öffentlichen und privaten Quellen. Auch hier übernimmt Deutschland die Verantwortung. Wir waren die Ersten, die rund 1 Milliarde US-Dollar für die Erstauffüllung des internationalen Grünen Klimafonds zur Verfügung gestellt haben. Die Bundeskanzlerin hat im Mai dieses Jahres angekündigt, die Klimafinanzierung bis 2020 auf gut 4 Milliarden Euro zu verdoppeln. Auch hier übernehmen wir als Deutschland und übernimmt die Bundeskanzlerin höchstpersönlich Verantwortung.

Zur europäischen Klimapolitik. Herzstück ist der europäische Emissionshandel. Er funktioniert: Er spart CO2 ein. Aber wir haben einen Überschuss von rund 2 Milliarden Zertifikaten. Das schwächt den Emissionshandel - das sage ich an dieser Stelle als Klimapolitikerin ganz klar - und macht ihn ein Stück weit zum zahnlosen Tiger. Deshalb müssen wir den Emissionshandel stärken. Hier sind auch wichtige Schritte gemacht worden, etwa mit der Marktstabilitätsreserve. Jetzt folgt die zweite Reform: Überschüssige Zertifikate müssen abgebaut werden. Das ist ganz klar; das sage ich hier als Klimapolitikerin.

Dabei müssen wir aber auch die Situation der energieintensiven Industrie, die im internationalen Wettbewerb steht, berücksichtigen, sonst kommt es in diesem Bereich zu Standortverlagerungen. Das ist schlecht für die Wirtschaft, aber auch schlecht für unser Klima, da sonst außerhalb der Europäischen Union verstärkt CO2 emittiert wird.

Wir streben jetzt auch an, den Emissionshandel weltweit zu exportieren. Am besten wäre es, wenn wir die bestehenden Emissionshandelssysteme nach und nach zu einem globalen Kohlenstoffmarkt ausbauen würden. Da gibt es eine gute Neuigkeit: China führt ab 2017 das Emissionshandelssystem in der gesamten Republik ein. Derzeit gibt es erst sieben Pilotprojekte in einzelnen Provinzen. Jetzt aber will China den Emissionshandel ab 2017 in der gesamten Republik einführen. All das sind positive Signale, die uns für die Konferenz in Paris hoffnungsfroh stimmen.

Lassen Sie mich zum Ende auf die nationale Ebene zurückkommen. Fakt ist: Die Bundesregierung hat Aktionsprogramme zum Thema Klimaschutz und Energieeffizienz formuliert und verabschiedet. Diese arbeiten wir jetzt konsequent ab und setzen sie um. Viele Bundesländer in Deutschland haben sich eigene Klimaziele gegeben. Aber eins ist auch klar: Diese eigenen Klimaziele können wir nur dann erreichen, wenn wir erhebliche Fortschritte im Bereich der Energieeffizienz und da insbesondere im Gebäudebereich machen.
Deswegen sage ich an der Stelle ganz klar: Jetzt dürfen wir doch nicht das Instrument ungenutzt lassen, das erhebliche Einsparpotenziale birgt.

Jeder Deutsche spart gerne Steuern. Deswegen haben wir trotz unseres Wissens um die Vorbehalte der Finanzminister aller Bundesländer - darunter sind auch viele rot-grün geführte Länder - in unserem Antrag ganz klar formuliert, dass wir weiterhin das Ziel verfolgen müssen, die energetische Gebäudesanierung steuerlich zu fördern. Denn Schwarzer-Peter-Spiel hin oder her: Als Klimapolitikerin bin ich nicht bereit, dieses Instrument in der Zukunft einfach fallenzulassen.
Vielen Dank.