27. Plenarrede: Debatte zur Umsetzung einer EU-Richtlinie im Städtebaurecht

Rede im Deutschen Bundestag, 27. Januar 2017


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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Billig Wohnen geht nur weit ab vom Schuss“, „Die Mieten werden immer teurer“, „Wohnen müssen alle“ - das sind nur einige Schlagzeilen aus den letzten Wochen und Monaten zum Thema Wohnen und Bauen. 

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Ballungsgebieten ist eine der drängendsten Herausforderungen, vor der wir stehen. Immer mehr Menschen zieht es in die Städte, und dadurch wird der Wohnraum dort immer knapper und auch immer teurer. Diese Wohnungsknappheit wird in den Städten zunehmend zum Problem.

Wir haben in dieser Wahlperiode schon vieles auf den Weg gebracht, um genau dem entgegenzuwirken; denn es muss doch auch der Krankenschwester oder dem Polizisten möglich sein, bezahlbaren Wohnraum in den Stadtzentren zu finden. Mietpreisbremse, Wohngeldreform und die deutliche Erhöhung der Mittel für die soziale Wohnraumförderung von 500 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro jährlich - das sind alles wichtige Instrumente. Diese Gelder - das betone ich jedes Mal aufs Neue - müssen von den Ländern zielgenau für die soziale Wohnraumförderung eingesetzt werden.

(Klaus Mindrup (SPD): Hat Bayern das gemacht?)

- Bayern macht das sehr vorbildlich, ganz genau. Wir gehen mit gutem Beispiel voran.

Das beste Instrument - das betone ich auch noch einmal - für mehr bezahlbaren Wohnraum, Frau Lay, ist und bleibt: Bauen, bauen, bauen. Es gibt bekanntlich auch den Sickerungseffekt. Wer eine teure Wohnung mietet, macht eine günstigere Wohnung frei.

(Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt doch gar nicht! Welche Studie belegt denn den Sickerungseffekt? Den gibt es nicht! Das ist ein Ammenmärchen! Es gibt keine Studie! Welche Studie denn?)

- Dazu gibt es Studien. Wir haben darüber auch schon auf vielen Podiumsdiskussionen gesprochen. Wer eine teurere Wohnung mietet, macht eine andere Wohnung frei. Das ist Fakt. - An genau dieser Stelle setzen wir mit der Novelle an.

Der derzeitige rechtliche Rahmen ermöglicht das Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe, aber den Bau zusätzlicher Wohnungen in urbanen Zentren nur eingeschränkt. Mit der neuen Baugebietskategorie „Urbanes Gebiet“ wollen wir das ändern. Wir wollen das Bauplanungsrecht und das Immissionsschutzrecht flexibilisieren, das heißt: mehr Innenverdichtung, es kann dichter und höher gebaut werden. Und dadurch ermöglichen wir eine Nutzungsmischung von Wohnen und Gewerbe, auch von Kultur- und Sporteinrichtungen. Das, meine Damen und Herren, ist genau der richtige Schritt.

Aber ich sage auch - Herr Kühn, hören Sie mir bitte zu -: Allein durch die Innenentwicklung werden wir es nicht schaffen, den Bedarf an Wohnraum zu decken; denn wir brauchen 350 000 bis 400 000 neue Wohnungen pro Jahr. Einige Städte - München ist dafür ein gutes Beispiel - platzen schon jetzt schier aus allen Nähten. Auch in Berlin wird die Situation - ich habe mich gestern erst mit einem Berliner darüber unterhalten - auf dem Wohnungsmarkt immer schwieriger.

Für mehr neuen und vor allem bezahlbaren Wohnraum benötigen wir mehr Bauland.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Fehlendes Bauland ist ein wesentlicher Preistreiber beim Wohnen und Bauen. Das hat übrigens auch - Sie haben gerade nach Studien gefragt - die Baukostensenkungskommission ganz deutlich herausgearbeitet: Fehlendes Bauland ist ein Preistreiber. - Deshalb haben wir als Union uns für ein Signal am Ortsrand starkgemacht. Wir haben schließlich einen Kompromiss gefunden. Kommunen sollen künftig im beschleunigten Verfahren Bebauungspläne für den Ortsrand aufstellen können, allerdings unter strengen Voraussetzungen: nur auf drei Jahre befristet, in engen Grenzen, und der Vorrang der Innenentwicklung als Grundsatz der Bauleitplanung bleibt selbstverständlich bestehen. Es ist so, wie Frau Tausend gerade gesagt hat: Es liegt in der Hand der Kommunen, verantwortungsvoll mit diesem Instrument umzugehen. Sie bekommen dieses Instrument, um auf die aktuelle Situation an den Wohnungsmärkten zu reagieren, ohne dass wir strukturelle Veränderungen im Baurecht vornehmen.

Das beschleunigte Verfahren kommt gerade den Gemeinden zugute, die mit der Nachverdichtung und der Innenentwicklung befasst sind. Herr Kühn, wir machen im Bereich der Ortskernrevitalisierung sehr viel mit LEADER-Mitteln, auch in meinem Heimatlandkreis - Besucher aus meiner Heimat sitzen oben auf der Tribüne; die können das bezeugen -, aber es gibt dennoch Gemeinden, die da an ihre Grenzen stoßen. Diesen Gemeinden möchten wir dieses Instrument an die Hand geben;

(Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann beschränken wir das Ganze doch einfach gemeinsam!)

denn neben dem freien Wohnungsbau kann auch der soziale Wohnungsbau davon profitieren, wenn dieses Instrument besteht.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist eine gute Grundlage, um die Herausforderungen, vor die uns der Wohnraummangel stellt, an der Wurzel zu packen. An einer Stelle wünschen wir eine Ergänzung, denn nach der aktuellen Rechtslage können Gemeinden keinen Bebauungsplan aufstellen, der dauerhaftes Wohnen in Erholungsgebieten ermöglicht; das wurde bereits angesprochen. Hier möchten wir eine Verbesserung erreichen. Gerade in stadtnahen Erholungsgebieten ist es nämlich Realität, dass dort auch gewohnt wird. Im Zuge dieser Baurechtsreform sollten wir versuchen, diese unklare Situation der gelebten Realität anzupassen.

Ich freue mich auf die weiteren - auch parteiübergreifenden, fraktionsübergreifenden - Diskussionen im anstehenden Gesetzgebungsverfahren, die dazu führen werden, dass wir am Ende ein gutes Gesetz bekommen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

 
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