34. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber zum Klimaschutz

Rede im Deutschen Bundestag, 23. Juni 2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Bedauern“ und „Ärger“ sind die Worte, die beschreiben, was ich fühlte, als Trumps Drohungen, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, Realität wurden. Diejenigen, die in Paris dabei waren, haben das sogenannte Momentum von Paris gespürt. Alle waren mit an Bord. Einer ist jetzt von Bord gegangen.

Mit dieser Entscheidung des zweitgrößten Treibhausgasemittenten schadet Trump nicht nur dem Klima, sondern er schadet auch seinem eigenen Land. Er hat sogar der US-Wirtschaft damit eigentlich einen Bärendienst erwiesen.

Ich erinnere mich gut an die Worte des damaligen US-Außenministers Kerry in Marrakesch bei der Klimakonferenz. Er sagte: Der Markt in den USA will dieses Abkommen, der Markt will die Entwicklung von Umweltinnovationen, von erneuerbaren Energien.

Schon längst hat die US-Wirtschaft die Chancen einer nachhaltigen Energie- und Industriepolitik erkannt, und Investitionen werden verstärkt von fossilen Energien in erneuerbare Energien und Umwelttechnologien gelenkt. Ich bin überzeugt, viele Menschen, Kommunen, US-Bundesstaaten und die Wirtschaft in den USA denken anders. Es gibt ja schon einzelne Bundesstaaten, zum Beispiel Kalifornien und Colorado, die sich distanziert haben. Auch über 82 Bürgermeister haben sich zusammengeschlossen und trotzen der Antiklimapolitik Trumps. Sie verfolgen weiterhin den Klimakurs, der unter Obama eingeschlagen wurde, und das 2-Grad-Ziel, und das ist gut so.

Meine Kolleginnen und Kollegen, warum rede ich über die USA? Weil die Welt seit dem 1. Juni in Sachen Klimaschutz noch enger zusammengerückt ist. Es ist eine noch stärkere Jetzt-erst-recht-Stimmung entstanden. Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Austritts gab es - das ist ebenso ein gutes Signal gewesen - eine gemeinsame Klarstellung Deutschlands, Italiens und Frankreichs, dass es mit ihnen keine Neuverhandlungen des Abkommens geben wird. Das ist aus meiner Sicht nur konsequent.
Klimaschutz wird ohne die politische Spitze der USA sicherlich schwieriger, aber er wird auch ohne sie gelingen. Das Gute ist, dass wir die wirtschaftlichen Vorteile haben werden, wenn wir uns bei der Entwicklung von Umweltinnovationen an die Spitze der Bewegung setzen.

Bei mir im Wahlkreis wurde das weltweit größte Prüfzentrum für Großkugellager eingeweiht. Solche Projekte müssen in Deutschland stattfinden. Das schafft und sichert Arbeitsplätze, das verbindet Umwelt- und Klimapolitik mit Chancen für die Wirtschaft, meine Damen und Herren.

(Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt jemand von der CSU!)

Der Klimaschutz wird gelingen, weil Staaten wie Deutschland voranschreiten. Wir machen die „German Energiewende“, wie es auf internationaler Ebene heißt. Alle Staaten schauen gespannt, wie wir das bewältigen.

Ein Beispiel dafür, wie wir es bewältigen, ist der Klimaschutzplan 2050. Sie waren dabei. Wir haben auf der internationalen Klimakonferenz in Marrakesch dafür Lob und Anerkennung geerntet. Wir waren die Ersten, die einen solchen Langfristplan vorgelegt haben. Das müssen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, von der Opposition, auch einmal anerkennen.

(Sabine Leidig (DIE LINKE): Kennt den Herr Dobrindt auch?)

An dieser Stelle möchte ich sagen - das möchte ich auch im Namen der Union sagen -: Die Berliner Erklärung, werte Kollegin Höhn, ist eine Erklärung von ganz wenigen Abgeordneten. Ich möchte mich als Klimapolitikerin ganz klar davon distanzieren.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich sage das auch im Namen der meisten Kollegen hier im Saal, auch der Union.

Meine Damen und Herren, wir wollen Klimaschutzpolitik, die sich ambitionierte Ziele setzt. Diese Ziele müssen aber auch erreichbar sein. Dabei müssen wir immer die Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft Deutschlands, unsere Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitsplätze beachten. Wir nehmen damit unsere Verantwortung sowohl gegenüber dem Klima und der Umwelt als auch gegenüber den Menschen, den Unternehmen mit ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wahr. Unsere Schlagworte, die wir auch in den Klimaschutzplan hineingebracht haben, sind dabei: Technologie- und Innovationsoffenheit, Europakonformität, Anreiz statt Zwang, Versorgungssicherheit, Kosten-Nutzen-Analyse. Denn mit jedem eingesetzten Euro müssen wir schauen, dass wir so viel CO2 wie möglich einsparen.

Wenn wir Festlegungen für die kommenden Jahrzehnte treffen, dann müssen diese gut überlegt sein. Deswegen ist es gut, dass die Bundesregierung intensiv um den Plan gerungen hat. Der Klimaschutzplan zeigt den Weg hin zu einer weitgehenden Treibhausgasneutralität im Jahr 2050 auf. Dazu gehört auch der schrittweise, sozialverträgliche und durch Strukturmaßnahmen begleitete Ausstieg aus der Kohlenutzung.Vizepräsidentin

Claudia Roth:
Frau Kollegin Weisgerber, lassen Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Leidig von der Linken zu?

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):
Ja, bitte.

Sabine Leidig (DIE LINKE):
Frau Kollegin Weisgerber, ich habe gerade vernommen, dass ein zentrales Anliegen Ihrerseits ist, dass mit jedem investierten Euro möglichst viel Klimaschutz gemacht werden kann. Nun arbeite ich als verkehrspolitische Sprecherin der Linken im Verkehrsausschuss. Dort haben wir in dieser Legislatur und in diesem Jahr mit dem Bundesverkehrswegeplan 2030 das größte Investitionsprogramm der Bundesregierung, sozusagen ein aktives Investitionsprogramm, verhandelt, und Sie haben es mehrheitlich beschlossen. Ich würde gern von Ihnen wissen, wie Sie es einschätzen, dass für 55 Milliarden Euro neue Autobahnen gebaut werden sollen, dass mit diesem Plan, den Sie mit Ihrer Mehrheit beschlossen haben, auf 40 Prozent mehr Lkw-Verkehr auf unseren Straßen gezielt wird und wie dort das Verhältnis zum Klimaschutz ist.

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):
Zum Bundesverkehrswegeplan ist ganz klar zu sagen: Wir brauchen die Infrastruktur. Wir brauchen die Investitionen in die Straßen. Wir müssen in dem Zusammenhang auch auf alternative Antriebsarten setzen. Deswegen haben wir im Verkehrssektor mit der Bundesregierung im letzten Jahr ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Elektromobilität verabschiedet: steuerliche Abschreibungen für Dienstwagen, 300 Millionen Euro für Ladesäulen, die Kaufprämie. Die Ladesäuleninfrastruktur wird insgesamt vorangebracht. Wir brauchen nämlich die alternativen Antriebsarten. Wir brauchen natürlich den Bahnverkehr, aber auch die Investitionen in die Straßen sind für den wirtschaftlichen Aufschwung und für unsere wirtschaftliche Situation in Deutschland wichtig.

(Sabine Leidig (DIE LINKE): Fürs Klima aber schlecht!)

Meine Damen und Herren, ich fahre mit meiner Rede fort. - Ich habe gerade über den Kohleausstieg gesprochen. Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung“ soll in dem Bereich den Strukturwandel letztendlich gestalten. Es ist wichtig, dass die Kommission schnellstmöglich die Arbeit aufnimmt. Dabei müssen auch die Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden. Zum Beispiel wird heute weit über die Hälfte des Gipsbedarfs in Deutschland in Form von REA-Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen von Kohlekraftwerken gedeckt. Fällt der REA-Gips als wichtiger Baustoff weg, wird mehr Gips in der Natur abgebaut. Sie sehen: Die Frage des Kohlebergbaus und des Strukturwandels betrifft nicht nur den Kohlesektor, sondern hat auch Auswirkungen auf die verschiedensten Sektoren und Bereiche.

Ein weiteres Novum des Klimaschutzplans ist, dass er ein neues nationales Klimaziel von 55 Prozent Treibhausgasminderung bis 2030 festlegt. Dazu wird zum ersten Mal auch ganz konkret festgelegt, wie die Minderungsziele in den einzelnen Sektoren sind: in der Energiewirtschaft, im Gebäudebereich, im Verkehr, in der Industrie, aber auch in der Land- und Forstwirtschaft. Zudem skizziert der Klimaschutzplan auch schon erste Maßnahmen. Im nächsten Jahr werden wir ein umfassendes Maßnahmenpaket bekommen, das letztendlich dann auch den weiteren Weg beschreibt. Dieses Maßnahmenpaket wird alle fünf Jahre fortgeschrieben.

Wir haben in den einzelnen Sektoren in den letzten Jahren schon wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht; ich kann jetzt nur einige nennen. Was den Verkehrsbereich betrifft, so habe ich die Maßnahmen zur Elektromobilität dank der Zwischenfrage bereits erwähnt. Im Gebäudebereich haben wir das Gebäudesanierungsprogramm bis 2018 verstetigt und auf 2 Milliarden Euro aufgestockt. Außerdem sage ich - das sagen auch die Grünen in einem ihrer Anträge, die ich umfassend studiert habe -,

(Beifall der Abg. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

dass wir dringend die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung brauchen. In dieser Aussage sind wir uns einig. Zudem gibt es das Marktanreizprogramm für die erneuerbaren Energien im Wärmebereich. In der Landwirtschaft haben wir die Energieberatung für landwirtschaftliche Unternehmen eingeführt. Die Düngeverordnung ist durch Bundestag und Bundesrat beschlossen worden. In der Industrie setzen wir auf das europäische Instrument des Emissionshandels, das durch eine umfassende Reform gerade auf neue Füße gestellt und gestärkt wird. Insgesamt ist es uns gelungen - das muss an der Stelle auch einmal gesagt werden -, das Wirtschaftswachstum vom CO2-Ausstoß zu entkoppeln; das ist auch eine Leistung. Wir brauchen aber auch die Akzeptanz der Bürger. Deswegen ist es aus meiner Sicht gut, dass zum Beispiel eine Forderung wie die Halbierung des Fleischkonsums aus dem Klimaschutzplan gestrichen wurde; denn das wäre eine Bevormundung der Bürger gewesen.

Meine Damen und Herren, werte Präsidentin, ich komme zum Schluss. Der Klimaschutzplan ist ambitioniert. Er gibt der Wirtschaft einen klaren Pfad vor, und er gibt ihr damit auch die notwendige Planungssicherheit. Lassen Sie uns gemeinsam in den nächsten Jahren an der Umsetzung des Klimaschutzplans arbeiten. Wenn im nächsten Jahr das Maßnahmenpaket vorliegt, haben wir wiederum eine Möglichkeit, die Klimapolitik aktiv mitzugestalten und der Welt zu zeigen, dass es Deutschland weiterhin ernst meint mit dem Klimaschutz.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)