36. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber zu den Klimazielen

Rede im Deutschen Bundestag, 22. Februar 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Klimaschutz ist eine große Herausforderung. Er ist wichtig, für manche Inseln im Pazifik ist er eine Überlebensfrage. Aber auch bei uns in Deutschland sind die Auswirkungen des Klimawandels bereits spürbar.

Die Entwicklung von Innovationen im Bereich Klimaschutz ist eine Riesenchance für die Wirtschaft. Wir müssen am Ball bleiben. Wir müssen den Wandel gestalten. Wir dürfen ihn nicht verschlafen.

Ich war gestern im Umweltministerium, wo der Deutsche Innovationspreis für Klima und Umwelt an mutige Unternehmer verliehen wurde. Auch mir machte diese Veranstaltung Mut, weil ich gesehen habe, mit welcher Kraft und mit welcher Überzeugung die Unternehmer bei der Sache sind. Es wurden tolle Projekte vorgestellt. Zum Beispiel kann Papier aus Gras hergestellt werden, um die Ressource Holz als wertvollen CO2-Speicher zu schonen.

(Harald Weinberg (DIE LINKE): Cannabis!)

Ein weiteres Projekt war eine energiesparende Maschine zur Stoffherstellung, die gleichzeitig spinnt und strickt. Sie sehen: Es gibt eine Menge Innovationen durch mutige mittelständische Unternehmer, wodurch Arbeitsplätze geschaffen und auch erhalten werden können.

Im ausverhandelten Koalitionsvertrag haben wir ganz klar festgehalten, dass wir uns zu unseren nationalen, europäischen und internationalen Klimazielen bekennen, und zwar in allen Sektoren. Dafür habe ich mich als Klimapolitikerin persönlich eingesetzt. Damit zeigen wir: Wir nehmen unsere klimapolitische Verantwortung wahr, in Deutschland und in der Welt.

Für uns ist aber auch wichtig, wie wir dieses Ziel erreichen. Das wollen wir durch Anreize statt Zwang und durch Technologieoffenheit bewerkstelligen. Wir wollen auch sicherstellen, dass unsere Wirtschaft als Basis unseres Wohlstands international wettbewerbsfähig bleibt. Außerdem soll die Energieversorgungssicherheit weiterhin gewährleistet werden.

Es liegt eine Studie der deutschen Industrie vor, die sich damit befasst hat, wie wir das langfristige Klimaziel bezogen auf 2050 erreichen wollen. Die Studie besagt: Das wird schwierig, aber es kann funktionieren. Und auch die Wirtschaft sagt: Die Wirtschaft kann Wandel. Sie hat es bei der Industrialisierung bewiesen. Jetzt nimmt sie die Herausforderungen der Digitalisierung an, Stichwort Industrie 4.0. Die Wirtschaft kann auch Klimaschutz, wenn die Politik verlässliche Rahmenbedingungen schafft und Anreize zum Beispiel für effiziente Umwelttechnologien setzt. Und genau das machen wir, meine Damen und Herren.

Wenn Sie, die Antragsteller, deren Vorlagen wir heute beraten, den ausgehandelten Koalitionsvertrag aufmerksam lesen, dann werden Sie feststellen, dass viele Ihrer Punkte bereits enthalten sind, zum Beispiel die Forderung nach einer konsequenten Energieeffizienzpolitik. Es gibt bereits den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz, den wir weiterentwickeln werden. Außerdem wollen wir eine ambitionierte, sektorübergreifende Energieeffizienzstrategie unter dem Leitprinzip „Efficiency first“ installieren. Wir haben uns das ehrgeizige Ziel gesetzt, eine Halbierung des Energieverbrauchs bis 2050 zu schaffen. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, bis 2030 einen Anteil an erneuerbaren Energien von 65 Prozent zu erreichen. Ebenso haben wir verankert - ich muss ganz ehrlich sagen: endlich -, die energetische Gebäudesanierung steuerlich zu fördern. In vielen Reden an diesem Rednerpult habe ich gefordert, dass wir dieses Klimaschutzinstrument nutzen. Meine Damen und Herren, ich setze darauf, dass nun auch die Grünen in den Bundesländern für dieses Instrument werben; denn in den Jamaika-Sondierungen war die Einführung dieses Instruments Konsens.

Damit bin ich beim Thema: Wie sollen diese Instrumente ausgestaltet sein? Wie soll dieses Steuerungsinstrument ausgestaltet sein? Wir setzen auf Anreize statt auf Zwang. Unser Vorschlag sieht ein Wahlrecht des Antragstellers vor: Zuschussförderung oder Reduzierung des zu versteuernden Einkommens. Damit erreichen wir einen möglichst großen Personenkreis. Daneben wollen wir das CO2-Gebäudesanierungsprogramm fortführen und damit den Austausch alter, ineffizienter Heizungen fördern. Ferner wollen wir eine Kommission einsetzen, die auf Basis und in Vernetzung mit dem laufenden Prozess zur Umsetzung des Klimaschutzplans bis Ende des Jahres Maßnahmen vorschlagen soll, wie die Lücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 so schnell wie möglich reduziert werden kann und im Energiesektor das 2030-Ziel erreicht werden kann. Dazu zählt auch die schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung. Das Abschlussdatum für die Kohleverstromung soll ebenfalls durch diese Kommission festgelegt werden.

Hört! Hört! Meine Damen und Herren, das geht sogar über das hinaus, was am Ende der Jamaika-Sondierungen ausverhandelt war. In den Jamaika-Verhandlungen lag der Fokus - Herr Dr. Köhler hat es bereits erwähnt - auf dem überhasteten, schnellen Stilllegen, auf der Reduzierung der Kapazität der Kohleverstromung um 7 Gigawatt vor 2020, und zwar ohne Rücksicht auf die Arbeitsplätze. Auch wir wollen die schrittweise Reduzierung der Kohleverstromung; aber wir wollen dabei die Energieversorgung weiterhin sicherstellen. Wir wollen, dass Energie für Verbraucher und Wirtschaft bezahlbar bleibt. Das ist ganz wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich habe das Gefühl, das wird von den Grünen öfter ausgeblendet. Außerdem wollen wir nicht, dass es in den betroffenen Regionen zu Strukturbrüchen kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie sehen: Wir reden nicht nur, sondern wir handeln auch, aber durchdacht und mit Weitsicht.
Zur Globalen Allianz für den Kohleausstieg, die in einem Antrag erwähnt wird: Gefordert wird, dass Deutschland dieser Allianz beitritt. Ich habe mir die Mühe gemacht, mir den Energiemix der teilnehmenden Staaten anzusehen. Man muss sich da ehrlich machen. Wie ist das in Frankreich? Dort stammen nur 3 bis 4 Prozent der Stromproduktion aus der Kohle, und Frankreich will von dem Ziel abrücken, den Strom aus Kernenergie bis 2025 auf 50 Prozent zu reduzieren. Kanada investiert mehr als 25 Milliarden in Atomreaktoren, damit sie für weitere 25 bis 30 Jahre laufen. Großbritannien will aus der Kohleverstromung aussteigen, gleichzeitig aber den Anteil des Stroms aus Kernenergie deutlich steigern.

Wir wollen beides: Wir wollen die Kohleverstromung reduzieren und den Ausstieg aus der Kernenergienutzung weiter gestalten. Keiner behauptet, dass das leicht ist. Dennoch gehen wir diesen Weg voller Überzeugung für unsere Kinder, für unsere Enkel und für die Menschen, die darauf setzen, dass die Politik die Weichen richtig stellt und durch Innovationen im Umweltbereich Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)