Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie

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Mit dem Gesetz, das der Deutsche Bundestag am 18. Februar 2016 verabschiedet hat, wird zum einen die europäische Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Darüber hinaus sollen entsprechend der Vereinbarung des Koalitionsvertrags sowohl eine Beratungspflicht des Darlehensgebers in Fällen dauerhafter und erheblicher Kontoüberziehungen als auch der Honorarberater im Anwendungsbereich der Wohnimmobilienkreditrichtlinie eingeführt. Zudem werden die handelsrechtlichen Vorschriften, welche die Rückstellung für die betriebliche Altersvorsorge regulieren, geändert.


Ein Kernstück der umgesetzten EU-Richtlinie ist die Verpflichtung des Darlehensgebers zur sog. Kreditwürdigkeitsprüfung. Der Unterschied zur bisherigen Rechtslage, nach der bereits Darlehensgeber die finanzielle Situation des Darlehensnehmers v.a. im Hinblick auf eventuelle Ausfallrisiken eingehend prüft, besteht neben Informationspflichten in erster Linie darin, dass Verstöße hiergegen nicht allein aufsichtsrechtlich durch die Aufsichtsbehörden, sondern nun auch zivilrechtlich sanktioniert werden. § 505 d BGB sieht nun bei Verstoß gegen die Prüfpflicht des Darlehensgebers einen Anspruch des Darlehensnehmers auf Ermäßigung des Sollzinses an den marktüblichen Zinssatz vor. Ebenso eine Versagung von Ansprüchen des Darlehensgebers wegen Pflichtverletzungen aus dem Darlehensvertrag, wenn die Pflichtverletzung des Darlehensnehmers auf einem Umstand beruht, der bei ordnungsgemäßer Kreditwürdigkeitsprüfung dazu geführt hätte, dass der Darlehensvertrag nicht hätte geschlossen werden dürfen. Die Beratungsleistungen im Zuge der Darlehensvergabe sollen darauf abzielen, durch eine konkrete Empfehlung dem Verbraucher die Auswahlentscheidung zu erleichtern.


Ein weiteres Kernstück der EU-Richtlinienumsetzung besteht darin, dass nun EU-einheitlich für Kreditvermittler ein Sachkundenachweis sowie der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung für den Fall von Fehlberatung Zulassungsvoraussetzung sind. Gewerbetreibende, die am 21. März 2016 eine Erlaubnis nach § 34c Abs. 1 S. 1 GewO (Gewerbeordnung) haben, welche zur Vermittlung des Abschlusses von Darlehensverträgen berechtigt, und die Verträge über Immobiliardarlehen im Sinne des § 34i Abs. 1 weiterhin vermitteln wollen, müssen bis zum 21. März 2017 eine Erlaubnis als Immobiliardarlehensvermittler nach § 34i Abs. 1 erwerben. Der neu eingeführte Honorar-Immobiliardarlehensberater muss bei der Beratung einen ausreichenden Marktüberblick berücksichtigen und seine Beratungsleistung darf ausschließlich durch das durch den Kunden zu entrichtende Honorar entgolten werden, damit sichergestellt wird, dass die Beratung  allein im Interesse des Kunden/Darlehensnehmers erfolgt.


Für Gewerbetreibende, die langjährig und ununterbrochen selbständig oder unselbständig eine Tätigkeit als Immobiliardarlehensvermittler ausgeübt haben, haben wir eine "Alte Hasen“-Regelung eingeführt. D.h., die nun durch die EU-Richtlinienumsetzung zwingend erforderliche Sachkunde wird vermutet, sofern der Gewerbetreibende eine ununterbrochene Tätigkeit im Sinne des § 34i Abs. 1 S. 1 seit dem 21. März 2011 durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachweisen kann. Er bedarf daher keiner Sachkundeprüfung nach § 34i Abs. 2 Nr. 4; eine Erlaubnis nach § 34c Abs. 1 GewO als Darlehensvermittler und ein möglicher Nachweis der ununterbrochenen Tätigkeit als solcher sind damit ausreichend.


Ferner haben wir mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie folgende weitere Verbesserungen im Verbraucherschutz eingeführt:


• Sogenannte „Null-Prozent“-Finanzierungen, die Anbieter von Konsumgütern angesichts der aktuellen Niedrigzinsphase verstärkt zur Finanzierung ihrer Produkte mit anbieten, fallen bislang nicht unter die gesetzlichen Bestimmungen für Darlehensverträge, da hier dem Darlehensgeber kein Anspruch auf eine Gegenleistung in Form von Kreditzinsen zukommt. Um aber die Verbraucher dennoch besser z.B. vor Überschuldung zu schützen, haben wir nun eine entsprechende Anwendung verbraucherschützender Vorschriften bei Verzug (§ 497 BGB) und Gesamtfälligstellung bei Teilzahlungsdarlehen (§ 498 BGB) eingeführt. Auch gilt bei Null-Prozent-Finanzierungen nun ein Widerrufsrecht. Der neue § 356d BGB legt die Anforderungen an den Beginn der Widerrufsfrist bei unentgeltlichen Darlehen sowie entsprechenden unentgeltlichen Finanzierungshilfen fest.


• Ebenfalls um Verbraucher vor Überschuldung zu schützen haben wir volle Transparenz bzgl. Zinssätzen für Dispo-Kredite sowie eine Beratungspflicht für die Banken bei gesteigerter Inanspruchnahme eines Dispokredits eingeführt. Die Banken sind nun verpflichtet, die Dispo-Zinssätze auf der Homepage an prominenter Stelle zu veröffentlichen; dies sorgt für Transparenz und die Erstellung von Vergleichsportalen und wird so für mehr Wettbewerb der Banken um Privatkunden führen. § 504a BGB verpflichtet die Banken bei längerfristiger Kontoüberziehung (6 Monate ununterbrochene Überziehung in Höhe von 75% des monatlichen Zahlungseingangs) zu einer Beratung des Verbrauchers über kostengünstigere Alternativen zum Dispokredit. § 505 BGB sieht bei der sog. geduldeten Überziehung ebenfalls eine Beratungspflicht vor. Eine – oft geforderte – gesetzliche Deckelung der Dispozinsen haben wir ausführlich diskutiert, aber davon Abstand genommen, da dies letztendlich nur dazu führen würde, dass alle Banken eine solche Obergrenze quasi als „gesetzliche“ Vorgabe einheitlich übernehmen würden und es somit kein Marktverhalten und damit auch keine deutlich günstigeren Dispozinsen mehr geben würde.


Außerdem haben wir mit daneben noch zwei weitere Regelungen mit diesem Gesetz getroffen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der EU-Richtlinie stehen, aber dennoch eine kurzfristige Regelung zur Schaffung von Rechtssicherheit erfordert haben.


• Die aktuelle Niedrigzinsphase mit ihrer für die Verbraucher günstigen Zinsentwicklung hat dazu geführt, dass vermehrt Privatkunden für ihre Immobilienkredite ein Kündigungsrecht ausüben, dass durch fehlerhafte Widerrufsbelehrungen ausgelöst worden ist. Dies betrifft ausschließlich Darlehensverträge aus den Jahren 2002 bis 2010. Die Rechtsprechung hat die in dieser Zeit durch EU-Vorgaben angeordneten Musterbelehrungen für die Ausübung des Widerrufsrechts (das nach Vertragsabschluss zwei Wochen lang gilt) aus formalen Gründen für ungültig erklärt. Dies bedeutete, dass die Widerrufsfrist von zwei Wochen rechtlich nicht in Gang gesetzt worden war und somit von einem „ewigen“ Widerrufsrecht gesprochen werden musste. Die Folge hiervon war, dass sich die Banken, die sich an diese vorgegebene Widerrufsbelehrung gehalten haben, auch nach Jahren nun auf einmal Widerrufserklärungen alter Darlehensverträge gegenübersahen, was für diese zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und zu hohen Risiken führte. Andererseits bestand hier ein schutzwürdiges Interesse der Kreditnehmer nicht mehr – die zwei Widerrufsfrist beträgt regelmäßig zwei Wochen und dient allein als Überlegungsfrist, ob der Verbraucher den Darlehensvertrag überhaupt eingehen und sich längerfristig binden will. Daher haben wir nun eine Erlöschensregelung eingeführt, wonach dieses sogenannte „ewige“ Widerrufsrecht nach drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr geltend gemacht werden kann.


• Unternehmen dürfen in Zukunft bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen in ihren Bilanzen den durchschnittlichen Marktzins der letzten zehn statt der letzten sieben Jahre verwenden. Zur Zeit zwingt der anhaltende Niedrigzins die Unternehmen zur Bildung immer größere Rückstellungen in der Bilanz, um für die Renten ihrer derzeitigen Arbeitnehmer vorzusorgen, was gerade mittelständische Unternehmen nicht nur belastet, sondern sogar schon zu Insolvenzen geführt hat. Der längere Betrachtungszeitraum ermöglicht es nun auch frühere, eventuell höhere Zinsen mit in die Berechnung einzubeziehen und damit Rückstellungen in Bilanzen realistischer anzusetzen. Damit sorgen wir dafür, dass Unternehmen ihren Beschäftigten auch in Zukunft eine betriebliche Altersvorsorge anbieten und nicht Angst vor unabsehbaren finanziellen Risiken haben müssen, auch wenn das Anliegen der CDU/CSU-Fraktion, durch eine Verlängerung des Betrachtungszeitraums von zehn auf zwölf Jahren eine weitergehende Verbesserung zu erzielen, leider nicht durchsetzbar war.