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40. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber zu CO2-Vorgabe für neue PKW

Rede im Bundestag, 15. Juni 2018

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben uns ein ehrgeiziges Klimaziel gesetzt. Wir wollen die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Dafür müssen alle Sektoren einen Beitrag leisten, auch der Verkehrssektor; das stellt hier keiner infrage. Ja, der „Klimaschutzbericht 2017“ zeigt, dass wir keine Punktlandung im Jahr 2020 schaffen werden. Deshalb müssen wir den im Klimaschutzplan aufgezeigten Weg erst recht konsequent weitergehen. Für den Status quo gibt es aber auch Gründe. Wir sind aus der CO2-neutralen Kernenergie ausgestiegen - und das ist auch gut so -,

(Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): CO2-neutral ist die überhaupt nicht!)

die Wirtschaft ist gewachsen - was an sich auch eine sehr gute Nachricht ist - und die Bevölkerung hat in den letzten Jahren zugenommen. All diese Faktoren müssen wir doch in einer fairen Betrachtung auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Bundesregierung hat 2014, als sie gemerkt hat, dass die Klimaschutzlücke droht, ein „Aktionsprogramm Klimaschutz“ mit über 100 Einzelmaßnahmen aufgelegt. Wir werden intensiv daran arbeiten, die Klimaschutzlücke so schnell wie möglich zu schließen; so steht es auch im Koalitionsvertrag.

(Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das interessiert nicht!)

Die Strukturwandelkommission wird Maßnahmen erarbeiten, um die Lücke zum 2020-Ziel so weit wie möglich zu reduzieren. Und wir werden ein Abschlussdatum für die Kohle festlegen. Dann werden wir als Industrieland nicht nur den Ausstieg aus der Kernindustrie abschließen, sondern perspektivisch auch den Ausstieg aus der Kohleenergie schaffen. Das kann man schon als historisch bezeichnen; das gilt es, liebe Opposition, doch auch einmal anzuerkennen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) - Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn ihr was macht, erkennen wir immer auch an!)

Ich betone an dieser Stelle noch einmal, dass alle Sektoren einen angemessenen Beitrag leisten müssen.

(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött (CDU/CSU))

Anders werden wir die Klimaziele nicht erreichen; das gehört ebenfalls zur Wahrheit. Ich denke hier natürlich auch an den Verkehrssektor. Da leistet der Kommissionsvorschlag zu den CO2-Grenzwerten für Pkw einen wichtigen Beitrag. Aber es gibt verschiedene Wege, die zu diesem Ziel führen. Wenn wir die Grenzwerte so stark anziehen, wie es die Grünen im Vergleich zum Kommissionsvorschlag noch einmal viel, viel ambitionierter vorschlagen,

(Karsten Hilse (AfD): Die sind nicht ambitioniert, die sind verrückt!)

dann machen wir die Automobilindustrie kaputt, und Zigtausend Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Das kann doch nicht der richtige Weg sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir würden uns außerdem ins eigene Fleisch schneiden und uns dadurch die Chance für die Entwicklung von Innovationen und alternativen Antrieben, die wir für die Mobilität der Zukunft brauchen, vergeben. Außerdem - was wollen die Grünen noch? - wollen Sie die Anrechenbarkeit von emissionsarmen und emissionsfreien Fahrzeugen auf die Reduktionsziele eines Herstellers streichen. Aus meiner Sicht ist das genau das falsche Signal. Wir sollten die Entwicklung von Elektroautos, von hybriden Antrieben anreizen und nicht noch unattraktiver machen, indem man die Anrechnung dieser Systeme, dieser Ökoinnovationen streicht. Mit diesem Vorschlag schütten Sie das Kind mit dem Bade aus.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Nestle?

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):
Ja, erlaube ich.

Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herzlichen Dank. - Also eigentlich haben Sie es nicht ganz so wiedergegeben, wie wir es fordern. Aber das ist auch egal; ich glaube, wir werden uns heute Nachmittag nicht über die verschiedenen Details unterhalten. Ich würde gerne bei der großen Geschichte bleiben. Sie haben erfreulicherweise noch einmal betont: Die Klimaschutzziele gelten.
50 Millionen Tonnen CO2 müssen wir bis 2030 im Verkehrsbereich einsparen. Der Kommissionsvorschlag sieht 4 Millionen Tonnen vor. Das ist der einzige Vorschlag, der im Moment ein Stück weit auch eine Verantwortung der Autoindustrie vorsieht, während die Verbraucher den ganzen Rest einsparen müssen, indem sie weniger und langsamer Auto fahren. Die Wissenschaft ist sich dazu, glaube ich, relativ einig. Auch deshalb fordert unter anderem der ADAC, also der Verbraucherschutzverband der Autofahrer, deutlich strengere Ziele, als sie die Kommission vorsieht.
Jetzt würde ich Sie gerne fragen, ob Sie dem ADAC und auch uns an dieser Stelle - ohne jetzt über genaue Zahlen zu reden - in der Einschätzung zustimmen, dass im Moment weniger als 10 Prozent der Verantwortung auf dem Weg zur Erreichung der Klimaschutzziele bei der Autoindustrie und mehr als 90 Prozent beim Verbraucher liegen? Stimmen Sie mir zu, dass das die falsche Aufteilung ist? Werden auch Sie sich dafür einsetzen, dass an dieser Stelle nicht nur das Wort der Autoindustrie Gehör findet, sondern die Interessen der Autofahrer auch berücksichtigt werden?

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):
Werte Kollegin Nestle, wir denken auch an die Arbeitsplätze, die damit in Verbindung stehen.

(Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ja, eben! Eben drum!)

Wir denken in diesem Zusammenhang daran - das hätte ich in meiner Rede noch angesprochen; deswegen werde ich es nur kurz beantworten -, die Grenzwerte vernünftig und realistisch auszugestalten, sodass - ich sage es jetzt mal so - die Daumenschrauben durchaus angezogen werden, damit die Autoindustrie den Weg in die Zukunft geht. Auch im Hinblick auf die Hybridtechnologie ist dies, denke ich, sehr, sehr wichtig. Aber es bringt letztendlich auch nichts, wenn die Grenzwerte so festgelegt werden, dass sie nicht erreichbar sind und Strafzahlungen drohen und die Arbeitsplätze verloren gehen. Wir sind ein Industriestandort, der auch für die Entwicklung von Umweltinnovationen in diesem Bereich steht, und es bringt uns überhaupt nichts, wenn wir das außer Acht lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf von der SPD: So ist es!)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Beutin?

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):
Nein, ich würde gern mit meiner Rede fortfahren.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Das ist Ihr gutes Recht.

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):
Was die AfD fordert - dass die bestehenden Grenzwerte neu festgelegt und nach unten korrigiert werden -, ist natürlich ebenfalls kein Anreiz für moderne Mobilität, und das kann auch nicht der richtige Weg sein.
Was die FDP in ihrem Antrag fordert, ist meiner Ansicht nach ebenfalls nicht die richtige Richtung. Sie möchten die EU-Grenzwerte perspektivisch abschaffen und nur die Einbeziehung des Verkehrs in den Emissionshandel vorschlagen.

(Dr. Marco Buschmann (FDP): Das ist Marktwirtschaft!)

Dabei frage ich mich allerdings als erfahrene Europapolitikerin, die auch im Europaparlament gearbeitet hat und dort Mitglied war: Wie stellen Sie sich das vor, und wie soll das durchsetzbar sein? Der Emissionshandel deckt im Moment die Energiewirtschaft, die energieintensive Industrie ab.

(Dr. Marco Buschmann (FDP): Das hat schon mal geklappt!)

Für diesen Bereich ist der Emissionshandel ein wichtiges Leitinstrument, keine Frage, und Kernstück unserer Klimaschutzpolitik. Aber die zeitnahe Einbeziehung des Verkehrssektors auf europäischer Ebene, die man zwar andenken kann, ist derzeit nicht durchsetzbar. Wir haben gerade eine umfassende Reform abgeschlossen. Die Reform des Emissionshandels war durchaus erfolgreich. Der Markt antizipiert dies bereits, indem sich der Preis weiterentwickelt und steigt, aber - ich war gerade in Straßburg und habe mit dem Kollegen aus dem Europäischen Parlament gesprochen - eine weitere Verschärfung oder Ausweitung, nachdem die Reform gerade abgeschlossen war, ist einfach nicht realistisch, das muss man zur Kenntnis nehmen.

(Dr. Lukas Köhler (FDP):  Stimmt nicht!)

Wir sprechen uns deshalb für ambitionierte, aber realistische Grenzwerte aus. Wie gesagt, man muss die Daumenschrauben so weit anziehen, dass die Automobilindustrie konsequent den Weg in die Mobilität der Zukunft geht. Wie gesagt, war dies im Hinblick auf die Hybridtechnologien in der Vergangenheit nicht in dieser Form der Fall, das muss ich als Klimapolitikerin deutlich sagen. Aber die Werte dürfen nicht unrealistisch und im Ergebnis nicht erreichbar sein. Das ist für uns genau der richtige Weg, und ich bin zuversichtlich, dass sich die Bundesregierung in diese Richtung positioniert und sich in die Verhandlungen in Brüssel einbringen wird. Aber ich sage auch: Dafür ist es wichtig, dass sich die Bundesregierung bald positioniert.

Wir dürfen bei all dem eines nicht vergessen: Die Automobilindustrie ist ein Leitmarkt in Deutschland. Ohne Frage hat sich diese Industrie in der Vergangenheit einiges zuschulden kommen lassen; damit habe ich dies ebenfalls klar angesprochen. Aber wir haben auch eine Verantwortung gegenüber dem Klima sowie den vielen Beschäftigten in dieser Branche. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)