14. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber im Deutschen Bundestag

Rede im Bundestag, 29. Januar 2015

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Kollegen von der Fraktion Die Linke, Sie haben insofern recht: Auf dem Wohnungsmarkt in Ballungsgebieten und Universitätsstädten herrscht Handlungsbedarf. Auch wenn in weiten Teilen Deutschlands die Wohnungsmärkte gut funktionieren, ist es leider so, dass bezahlbarer Wohnraum in manchen Gebieten Deutschlands knapp ist. 

Dagegen müssen wir etwas tun, keine Frage. Aber wie so oft in der Politik im Deutschen Bundestag sind unsere Vorstellungen, wie man dieses Ziel erreicht, total unterschiedlich. Sie zeigen mit Ihren Forderungen aufs Neue, dass Sie noch nicht in der sozialen Marktwirtschaft angekommen sind, meine Damen und Herren. Ich möchte hier nur einige Punkte Ihrer Forderungen herausgreifen: erstens Aufstockung und Verstetigung der Wohnraumförderung des Bundes bei 700 Millionen Euro jährlich, zweitens eine haushaltsfinanzierte Investitionsoffensive zugunsten der energetischen Gebäudesanierung in Höhe von 5 Milliarden Euro jährlich, drittens eine Verstetigung der Städtebauförderung bei 700 Millionen Euro jährlich für die nächsten zehn Jahre   man höre und staune; da greifen Sie in das Haushaltsrecht des Bundestages in diesen Jahren ein  , viertens Auflegung eines Investitionsprogramms für die Entwicklung der ländlichen Räume und deren Vernetzung mit städtischen Zentren in relevanter Höhe. Diese Forderungen, insbesondere die letzte Forderung   das sage ich als Abgeordnete, die aus dem ländlichen Raum kommt  , hören sich grundsätzlich ganz gut an, keine Frage. Aber bei Anträgen der Linken stellt sich immer wieder die gleiche Frage: Wie wollen Sie das finanzieren? Das liest sich nicht wie ein seriöser Antrag, den man umsetzen kann, weil das dafür notwendige Geld vorhanden ist, sondern wie ein Wunschzettel nach dem Motto „Wünsch dir was“. So sieht seriöse, verantwortungsvolle und nachhaltige Politik nicht aus.

Sie bestätigen einmal mehr, dass Sie ein ganz eigenes bzw. kein Verhältnis zum Steuergeld haben. Ihnen scheint es egal zu sein, wie hoch der Schuldenberg des Bundes anwächst. Wir dagegen haben in diesem Hohen Hause im November letzten Jahres den ersten ausgeglichenen Haushalt seit 45 Jahren beschlossen; denn wir wollen unseren Kindern Chancen statt Schulden vererben. Das nenne ich verantwortungsvolle und zukunftsgerichtete Politik.

Sie dagegen fordern immer mehr. Gleichzeitig werfen Sie dem Bund vor, im sozialen Wohnungsbau sei in den letzten Jahren zu wenig passiert. Hier müssen wir aber auf die Zuständigkeiten blicken. Das heißt, wir müssen auf die Länder schauen. In unserem föderalen System sind die Bundesländer für den sozialen Wohnungsbau zuständig. Das wollen sie auch, und das soll auch so bleiben. Der Bund stellt ihnen dafür 518 Millionen Euro zur Verfügung. Dieser Betrag wird in den nächsten Jahren verstetigt. Wenn man aber einen genaueren Blick auf die Länder wirft, dann zeigt sich ein ganz unterschiedliches Bild. Einige Länder nehmen diese Verantwortung wahr; Herr Staatssekretär Pronold hat das erwähnt. Frau Lay, Sie haben vorhin einen Zuruf gemacht   ich habe ihn genau verstanden   und gefragt, wie denn die Bilanz in unseren Ländern aussieht.   Frau Lay, würden Sie mir kurz zuhören? 

- Gut.   Bayern, das Land, aus dem ich komme, ist hier einmal mehr ein ausgezeichnetes Beispiel. Bayern hat die Gelder zur Förderung des sozialen Wohnraums verwendet. Wir in Bayern haben zielgerichtet investiert. Andere Länder haben nichts oder nur sehr wenig investiert. Daher muss ich einmal mehr sagen: Es kann nicht sein, dass der Bund den Ländern Gelder für den sozialen Wohnungsbau überweist und dass manche Länder dann diese Gelder nutzen, um ihre Haushaltslöcher zu stopfen; das geht so nicht. 

In Berlin war das fast ein Jahrzehnt   wen wundert’s?   unter Rot-Rot der Fall. Erfreulicherweise hat sich die Situation in Berlin seit der rot-schwarzen Koalition deutlich verbessert; Herr Mindrup hat das bei uns im Ausschuss erwähnt. Dazu kann ich nur sagen: Kaum ist die Union statt der Linken an der Regierung beteiligt, ändert sich etwas, wenn es um die sinnvolle Verwendung von Steuergeldern geht. Hier kann man das an einem ganz konkreten Beispiel deutlich machen. Kaum auszudenken ist, was wäre, wenn in Berlin die Union allein in der Verantwortung stünde. Allerdings ist das wohl eher ein theoretisches Gedankenspiel. Wir diskutieren heute darüber, wie viele öffentliche Gelder in den sozialen Wohnungsbau investiert werden sollten. Wichtig ist aber auch, dass der Gesetzgeber die Weichen beim Mietrecht   Stichwort „Mietpreisbremse“   so stellt, dass noch Anreize zum Bauen und Investieren gesetzt werden. Wenn wir zu diesem Thema anderen Anträgen der Linken folgen würden, dürfte es in Zukunft Mieterhöhungen nur noch in Höhe der Inflation geben. Das wäre keine Mietpreisbremse, sondern eine Investitionsbremse. In der aktuellen Diskussion ist es deshalb entscheidend, dass wir diese Mietpreisbremse klug ausgestalten. Wenn wir hier dem Modell der Linken folgten, würde niemand in neue Wohnungen investieren. Das würde die Situation auf den angespannten Wohnungsmärkten noch weiter verschärfen, und das kann auch keiner wollen. Deshalb haben wir uns in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass die Vermietung von neu errichteten Wohnungen aus dem Anwendungsbereich der Mietpreisbremse ausgenommen wird. Das ist jetzt auch so im Gesetzentwurf enthalten, der zurzeit im Parlament diskutiert wird. Diese Ausnahme - auch das möchte ich an dieser Stelle sagen - wünsche ich mir auch für umfassend modernisierte Wohnungen. Herr Bartol, Sie haben es vorhin erwähnt. Auch die, hatten Sie gesagt, seien ausgenommen. Aber bisher ist bei den umfassend modernisierten Wohnungen nur die erste Vermietung aus der Mietpreisbremse ausgenommen. Eine komplette Ausnahme wie für Neubauten würde die Anreize für die Durchführung von solchen Modernisierungsmaßnahmen noch erhöhen. 

Als Klimapolitikerin sage ich: Das ist genau das, was wir uns auch unter klimapolitischen Gesichtspunkten wünschen. 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland fallen im Gebäudebereich an. Diese Einsparpotenziale müssen wir nutzen. Das kürzlich beschlossene Klimaaktionsprogramm der Bundesregierung schafft mit der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung dafür die richtigen Investitionsanreize. Nun sind an dieser Stelle die Bundesländer am Zug. Aber der Bundesrat hat erneut einen entsprechenden Antrag der Bayern vertagt. Deshalb appelliere ich hier erneut an die Bundesländer. Herr Krischer, wo sind hier die grünen Abgeordneten, auch in den Bundesländern?

Die Grünen müssten doch diesen Prozess noch beschleunigen, damit die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung endlich kommt. Machen Sie jetzt endlich mit. Lassen Sie uns gemeinsam diese Chance am Schopf packen. - Bayern hat den Antrag im Bundesrat gestellt. Der ist vertagt worden. Wenn wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen, finden wir endlich eine Lösung. Wir Klimapolitiker und, wie ich glaube, alle Politiker in diesem Haus, die meisten jedenfalls, wollen diese energetische Sanierung und die steuerliche Förderung. Auch für Millionen Mieter in unserem Land wäre das gut; denn sie sparen durch die energetische Modernisierung langfristig bares Geld. Sie sprechen in Ihrem Antrag auch die Unterbringung von Flüchtlingen an. Uns allen liegt daran, die schutzbedürftigen Menschen, die zu uns kommen, angemessen unterzubringen. Ziel dabei ist, die Menschen dezentral an vielen Orten, auch in leerstehenden Häusern, unterzubringen, auch um zu vermeiden, dass Gemeinden mit sehr großen Notunterkünften überfordert werden und die Willkommenskultur, die wir momentan noch in Deutschland haben, dadurch gefährdet wird. Diese Lösungen müssen wir gemeinsam umsetzen - und das auch kurzfristig. Genau deshalb haben wir im November, übrigens gegen die Stimmen der Linken, ein Gesetz verabschiedet, das die Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung unterstützt. Die Änderungen im Baugesetzbuch erweitern den Handlungsspielraum der Städte und Gemeinden, um Flüchtlinge schneller und einfacher angemessen unterbringen zu können. Damit helfen wir den Menschen mehr, als wenn wir immer nur utopische Forderungen stellen.

Bei einem Punkt sind wir uns allerdings gar nicht so fern: der Städtebauförderung. Ich freue mich außerordentlich darüber, dass wir die Mittel der Städtebauförderung auf einem Rekordniveau von 700 Millionen Euro verstetigt haben, im Hinblick auf unsere Staatsfinanzen jedoch zunächst nur bis zum Ende der Legislaturperiode. Das ist ein starkes Signal an unsere Städte und an unsere Gemeinden, ein starkes Signal auch mit Blick auf die Herausforderungen, denen sie derzeit gegenüberstehen, weil immer mehr Menschen in unser Land kommen und in unserem Land Schutz suchen. Gerade das Programm „Soziale Stadt“, das wir deutlich aufgewertet haben, kann dazu einen Beitrag leisten. Diese Mittel können für die Integration der Flüchtlinge eingesetzt werden, beispielsweise durch Angebote wie Nachbarschaftstreffen für Flüchtlinge und die örtliche Bevölkerung. Das trägt auch zur Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für die Zuwanderer bei, die wir dringend brauchen. Dennoch bin ich der Meinung, dass das Programm „Soziale Stadt“ weiterhin in erster Linie für investive Maßnahmen eingesetzt werden sollte; denn das ist das Wesen der Städtebauförderung und ihr Erfolgsrezept.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Ihre Vorschläge zeigen einmal mehr, dass Ihre Politik weit an der Realität vorbeigeht. Deshalb kann ich, wie meine gesamte Fraktion, Ihren Antrag nur ablehnen.

Vielen Dank.