21. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber im Deutschen Bundestag

Rede im Deutschen Bundestag, 04. Dezember 2015

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Angela Merkel hat bei der Klimakonferenz gesagt: Wir wissen, wir müssen heute handeln. Das muss der Anspruch dieser Konferenz sein. Besser und treffender kann man die Situation nicht beschreiben. Werte Kollegen von den Grünen, Deutschland und Europa handeln. Erstens. Wir haben uns ambitionierte Ziele gegeben, und wir setzen diese auch konsequent um: durch das Klima-Aktionsprogramm, durch den Klimaschutzplan. Zweitens. Wir nehmen auch unsere Verantwortung bei der Klimafinanzierung wahr. Gerade Deutschland hat sich bei diesem Thema an die Spitze gesetzt.
Auch Europa hat sich als eine der ersten Vertragsparteien mit einem Reduktionsbeitrag von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2030 ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Wenn man die aktuellen Beiträge vergleicht, dann sieht man, dass das EU-Ziel zu den ambitioniertesten zählt.

Deutschland geht noch weiter. Wir wollen die Treibhausgasemissionen bereits bis 2020, also zehn Jahre früher als die EU, um 40 Prozent reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir ein Klimaschutz-Aktionsprogramm mit 100 Einzelmaßnahmen aufgelegt, die alle Sektoren umfassen. Wir haben KfW-Mittel in Höhe von 177 Milliarden Euro in Umwelt- und Klimaschutzmaß- nahmen investiert. Auch hier setzen wir ein Zeichen.

In der Debatte wird auch oft vergessen, dass sich Deutschland ein Zwischenziel gegeben hat. Mit dem Zwischenziel von 55 Prozent bis 2030 befinden wir uns auf dem 2-Grad-Pfad. Und: Wir haben auch ein Langfristziel. Bis 2050 wollen wir es schaffen, unsere Emissionen um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Dazu erarbeitet die Bundesregierung gerade mit allen beteiligten Gruppen, Gesellschaft und Wirtschaft, einen Klimaschutzplan.

Werter Herr Kollege Hofreiter, das Schlechteste, was wir während der Verhandlungen in Paris machen können, ist, dass wir unsere eigenen Ziele schlechtreden.Wenn die Deutschen dies tun würden, dann könnten die anderen denken, dass sie sich nicht mehr anzustrengen brauchen. Das wäre fatal, vor allem, weil unsere Ziele ambitioniert sind, weil wir selbstbewusst sein können. Wenn wir nach Paris fahren und unsere eigene Maßnahmen schlechtreden, dann werden sich die anderen eher zurücklehnen und nicht anstrengen. Das ist genau das falsche Signal Ihrer Rede in dieser Debatte.Deswegen haben wir in unserem Antrag auch positiv beschrieben, was wir machen. Wir wissen auch: Alleine werden wir es nicht schaffen. Wir brauchen auch die anderen Staaten der Welt. Diese Staaten brauchen unsere Unterstützung. Deshalb ist die Klimafinanzierung ein wichtiger Punkt, ich möchte fast sagen, mit der wichtigste Punkt neben dem Thema Überprüfungsmechanismus.An dieser Stelle will ich einmal sagen, was unsere Minister machen, was Deutschland macht. Ich möchte dazu das Entwicklungshilferessort herausgreifen. Entwicklungshilfeminister Gerd Müller setzt in den Bereichen der Klimafinanzierung und der Klimaanpassung ganz gezielt Gelder aus seinem Haushalt ein. Aus seinem aktuellen Etat werden über 2 Milliarden Euro in Minderungsmaßnahmen investiert, zum Beispiel in das Waldschutzprogramm zum Erhalt der tropischen Regenwälder und zur Verhinderung der Rodung oder in den Aufbau der Versorgung mit erneuerbaren Energien in den ärmeren Ländern dieser Welt. Vor kurzem hat man mit Indien eine Solarpartnerschaft abgeschlossen. In Marokko wird Anfang kommenden Jahres das größte Solarkraftwerk in Betrieb genommen. Das BMZ baut auch die Klimarisikoversicherung auf. Also: Wir handeln. Das sollte man auch einmal benennen, meine Damen und Herren.

Ein wichtiges Instrument ist auch der internationale Grüne Klimafonds. Vor circa einem Jahr konnte dieser mit 10 Milliarden US-Dollar gefüllt werden. 10 Prozent davon, nämlich 1 Milliarde US-Dollar, stellt allein Deutschland zur Verfügung. Auch hier war Deutschland, waren wir an vorderster Front dabei. Jetzt ist daraus eine Dynamik entstanden: Mit Stand vom 1. Dezember sind die Zusagen auf 24 Milliarden US-Dollar angewachsen. Frankreich hat seinen Beitrag ebenso wie die USA und andere Staaten beziffert. Also ist auch hier etwas in Bewegung. In Paris zeichnet sich beim Punkt Klimafinanzierung eine positive Dynamik ab. Auch mit unserem Beitrag haben wir diesen Stein ins Rollen gebracht, meine Damen und Herren.

Nicht nur wegen der Finanzierung, sondern auch ganz generell bin ich guter Dinge, dass Paris zu einem Erfolg wird. Ich möchte Ihnen drei Gründe nennen, warum ich der Meinung bin, dass dies der Fall ist:
Der erste Grund. Viele Staaten der Welt sind dabei. Große wie kleine, reiche wie arme Länder haben ihre nationalen Beiträge vorgelegt. Inzwischen sind es 184 Staaten, darunter erstmals Staaten wie die USA, Russland, Südafrika oder Brasilien, aber auch Inselstaaten und viele arme afrikanische Länder. Diese Staaten stehen für 95 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Bei Kioto II waren es am Ende gerade einmal 37 Staaten, die noch dabei waren und sich Ziele gesetzt haben. Diese 37 Staaten machten nur 12 bis 14 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Wir sind jetzt also auf einem guten Weg.Die nationalen Beiträge wurden auch durch die jeweiligen Parlamente untermauert. Sie wurden in einem breit angelegten Prozess in der Gesellschaft entwickelt. Zum Beispiel hat man in Brasilien ein Referendum durchgeführt. Insofern glaube ich, dass diese Ziele wirklich in der Mitte der Gesellschaft entstanden sind und dass diese Klimakonferenz dem Willen der Bevölkerung entspricht. Schon allein deshalb ist Paris meiner Meinung nach erfolgversprechender als Kopenhagen, meine Damen und Herren.

Der zweite Grund. Die vorgelegten Beiträge sind bei vielen Staaten wirklich nur als Ausgangspunkt zu sehen. Es ist anzunehmen, dass einige der Staaten am Ende noch mehr leisten werden. Dazu zwei Beispiele: China will den Höchststand der Emissionen bis spä- testens 2030 erreichen. Also kann es gut sein, dass China den Wendepunkt, den Peak, vorher erreicht. Außerdem wird China 2017 einen landesweiten Emissionshandel einführen; er wird in der ganzen Volksrepublik China eingeführt. Neu ist auch das Ziel Chinas, die CO2-Intensität der chinesischen Wirtschaft bis 2030 um 60 bis 65 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren.

Ähnlich Positives vernehmen wir von Kanada. Die neue kanadische Umweltministerin McKenna sagte vor kurzem, dass Kanadas Beitrag für die Zeit nach 2020 nur ein Startpunkt ist und keinesfalls der Endpunkt der kanadischen Bemühungen. – Das sind Beispiele für Länder, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie vielleicht sogar noch über ihre zugesagten Beiträge hinausgehen. Der dritte Grund, warum ich glaube, dass Paris ein Erfolg wird, ist: Die Bedingungen sind anders als in Kopenhagen. Die Verhandler haben sich am Vorabend des Gipfelbeginns auf einen konkreten Ablaufplan verständigt. Der vorliegende Text ist kein politischer Text, sondern ein Text in Rechtssprache. Die Ausgangsbedingungen sind also gut. „Wir haben zum ersten Mal die Chance, unser Ziel eines Abkommens zu erreichen“ – so hat es unsere Bundeskanzlerin formuliert –, eines Abkommens, das verbindlich ist und das den Weg aufzeigt, wie die 2-Grad-Obergrenze glaubhaft erreicht werden kann. Wir brauchen einen Überprüfungsmechanismus, der völkerrechtlich verbindlich festgelegt wird. Dieser Überprü- fungsmechanismus soll dazu führen, dass alle fünf Jahre geschaut wird: Haben die Vertragsstaaten ihre nationalen Beiträge erreicht? Und: Wie weit sind wir von der 2-Grad-Obergrenze entfernt? Meine Damen und Herren, es ist fünf vor zwölf, aber es ist noch nicht zu spät. Die Chancen stehen nicht schlecht. Ergreifen wir also diese Chancen. Zum Abschluss möchte ich US-Präsident Obama zitieren. Er hat gesagt: Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel spürt, und die letzte, die es in der Hand hat, etwas dagegen zu tun. Packen wir es an! Ich bin optimistisch, dass uns in Paris etwas Positives gelingen wird. Vielen Dank