22. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber im Deutschen Bundestag

Rede im Deutschen Bundestag, 17. Dezember 2015

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen und Monaten haben wir hier im Deutschen Bundestag viele Debatten über unsere Erwartungshaltung bezüglich der Klimaverhandlungen in Paris geführt. Wir haben auch Anträge formuliert. Wir alle haben unsere Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass ein umfassendes, ambitioniertes, völkerrechtlich verbindliches Abkommen zustande kommt. Heute sind wir hier wieder zusammengekommen und können sagen: Wir haben das geschafft. - Am Samstag um circa 19.30 Uhr fiel der Hammer, und - man kann es wirklich so formulieren - es wurde Klimageschichte geschrieben, meine Damen und Herren.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders und ganz herzlich bei Ministerin Barbara Hendricks und ihrem sehr engagierten Team bedanken. Das ist eine Leistung, auf die Sie zu Recht stolz sein können. Vielen Dank!

Viele Kommentatoren bezeichnen dieses Abkommen als historisch. Ich möchte anhand von drei Punkten darlegen, warum dieses Abkommen aus meiner Sicht historisch ist.

Zum Ersten. Erstmals haben sich knapp 200 Staaten der Welt auf ein ambitioniertes Klimaabkommen geeinigt. Am Ende der Verhandlungen über die zweite Verpflichtungsperiode des Kioto-Protokolls waren nur noch 37 Staaten mit an Bord. Jetzt sind wieder alle Staaten der Welt dabei. Das allein ist schon ein Riesenerfolg. Alle Staaten haben an einem Strang gezogen, ob große oder kleine Staaten, ob arme oder reiche Staaten. Alle haben sich dazu verpflichtet, die globale Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Darüber hinaus hat man eine starke Formulierung zum 1,5-Grad-Ziel in den Text hineinverhandelt. Demnach müssen sich die Vertragsstaaten anstrengen, die globale Erderwärmung auf nur 1,5 Grad zu begrenzen. Das war ein wichtiges Signal an die Inselstaaten, die vom Untergehen bedroht sind und darauf gewartet haben, dass ein solches Signal von Paris ausgeht.

Dass es gelungen ist, das 1,5-Grad-Ziel im Text zu verankern, ist zum einen auch ein Verdienst von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auf Empfehlung von Frau Hendricks zu Beginn der Klimaverhandlungen in Paris als eine der wenigen, wenn nicht sogar als einzige der Staats- und Regierungschefs das 1,5-Grad-Ziel deutlich erwähnt hat. Dieses Signal hat aufhorchen lassen. Zum anderen war die Aufnahme des 1,5-Grad-Ziels auch dadurch möglich geworden, dass die Umweltministerin es geschafft hat, dass sich die Koalition der Ambitionierten gebildet hat. Deutschland war hier an vorderster Front dabei. Mit dieser Koalition wurden das althergebrachte Denken und die Trennung zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern aufgebrochen. Die UNO, die USA, Brasilien und Mexiko waren mit an Bord, aber zum Beispiel auch die Marshallinseln. Ich kann mir vorstellen, dass es ein emotionaler Moment war, als sie Seit‘ an Seit‘ vereint in den Saal gegangen sind und das Signal ausgesandt haben: Wir wollen, dass die Ambition im Text deutlich verankert wird. - Das war der erste Grund, warum dieses Abkommen historisch ist.

Der zweite Grund hierfür besteht darin, dass der völkerrechtliche Überprüfungsmechanismus, den wir hier in sehr vielen Plenarreden eingefordert haben, jetzt im Abkommen steht - ich weiß nicht, wie viele dessen Aufnahme in den Text wirklich für möglich gehalten haben - und seine Einhaltung regelmäßig, alle fünf Jahre, überprüft wird. Überprüft wird zum Ersten, ob die einzelnen Vertragsstaaten ihre nationalen Verpflichtungen einhalten. Zum Zweiten wird regelmäßig Bilanz gezogen, wie weit man vom globalen Ziel entfernt ist und inwieweit man noch nachschärfen muss.

Der dritte Grund, weshalb das Abkommen aus meiner Sicht historisch ist, besteht darin, dass die Klimafinanzierung zustande gekommen ist. Wir haben immer gesagt: Wir können den Klimawandel nicht alleine bekämpfen. Wir brauchen dafür alle Staaten der Welt, auch die Entwicklungs- und Schwellenländer; aber diese brauchen unsere Unterstützung. - Die Industrieländer haben sich verpflichtet, von 2020 an 100 Milliarden US-Dollar für sie zur Verfügung zu stellen. Auch bei dieser Vereinbarung hat Deutschland Signale ausgesandt. Entwicklungsminister Müller, dem ich hier ausdrücklich danken möchte, hat während der Konferenz zum Ausdruck gebracht, dass zusätzlich 3 Milliarden Euro für die Nutzung erneuerbarer Energien in Afrika zur Verfügung gestellt werden. All das hat dazu geführt, dass wir Klimageschichte geschrieben haben.

Eine letzte Bemerkung, wenn die Präsidentin mir das erlaubt: Ich möchte, dass dieses Abkommen von der Wirtschaft als Chance begriffen wird. Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze. Wenn wir Deutsche uns jetzt an die Spitze der Entwicklung von Umweltinnovationen und von CO2-armen Technologien stellen, dann kann die Bekämpfung des Klimawandels gleichzeitig ein wichtiger Baustein für Wachstum und Arbeitsplätze sein.
Vielen Dank.

Bild: Deutscher Bundestag