39. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber zum Haushaltsentwurf des Bundesumweltministeriums

Rede im Deutschen Bundestag, 15. Mai 2018

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Haushaltsentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit geht es um wichtige Themen für die Menschen in unserem Land, ja sogar auf der ganzen Welt. Es geht um Nachhaltigkeit, es geht um Umwelt- und Artenschutz, es geht um Klimaschutz und um nukleare Sicherheit. Zu all den Themen gibt es konkrete Inhalte und Arbeitsaufträge im Koalitionsvertrag. Es kommt nicht nur auf die Anzahl der Seiten im Koalitionsvertrag an, sondern auch auf den Inhalt. Dieser Inhalt ist auch finanziell unterlegt. Dies spiegelt der Haushalt wider, der knapp 2 Milliarden Euro für diese Themenbereiche vorsieht. Marie-Luise Dött hat bereits einige Themen angesprochen.

Ich möchte mich auf den Klimaschutz konzentrieren, einen Schwerpunkt im Haushalt des Bundesumweltministeriums. Im Koalitionsvertrag haben wir es festgehalten: Wir bekennen uns ganz klar zu den nationalen, europäischen und internationalen Klimazielen. National werden wir die Handlungslücke zur Erreichung unseres Klimaziels 2020 so schnell wie möglich schließen, und auch das Klimaziel 2030 wollen wir in jedem Fall erreichen. Dies schaffen wir nur, wenn alle Sektoren einen angemessenen Beitrag leisten: die Industrie, die Energiewirtschaft, der Gebäudesektor, der Verkehr und die Landwirtschaft.

Ja, es ist kein Geheimnis, dass auch die Kohle einen nennenswerten und substanziellen Beitrag zur Erreichung dieser Klimaziele leisten muss und leisten wird. Auch deshalb haben wir die Strukturwandelkommission. Sie wird in den nächsten Wochen die Arbeit aufnehmen und bis Ende des Jahres ein Aktionsprogramm mit konkreten Maßnahmen zur Erreichung unserer Ziele vorlegen, die dann in ein Gesetz einfließen werden. Sie wird auch einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung vorlegen, einschließlich eines Abschlussdatums. Wir werden diesen Strukturwandel gestalten.

Sie sehen also, dass wir allen Unkenrufen zum Trotz anpacken und die Themen „Klimaschutz“ und „Reduzierung der Kohleverstromung“ angehen. Das ist gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dabei zählt der Beitrag jedes Einzelnen. Mit der nationalen Klimaschutzinitiative werden wir Kommunen, Unternehmer und private Verbraucher dabei unterstützen, ihren ganz persönlichen Klimaschutzbeitrag zu leisten; denn nur so können wir unsere Klimaziele wirklich erreichen. Der Haushaltsentwurf sieht gut 65 Millionen Euro für Projekte im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative vor, die den Klimaschutz im Kleinen voranbringen. So wird zum Beispiel die Erstellung von Klimaschutzplänen der Kommunen finanziell unterstützt. Die Kommunalrichtlinie, die das regelt, erfreut sich großer Beliebtheit. Immer mehr Kommunen geben sich solche Klimaschutzpläne. Das ist auch gut so; denn die Klimaziele können wir nur erreichen, wenn lokal, in den Kommunen in allen Sektoren die Potenziale gehoben werden. Deshalb ist dieses Programm so wichtig. Ebenso gefördert werden innovative Klimaschutzprojekte von Kommunen und Unternehmen, der Einbau energiesparender Kälte- und Klimaanlagen und von Mini-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder der Austausch von energiesparender LED-Beleuchtung in Kommunen. Das, meine Damen und Herren, ist der richtige Weg. Wir wollen Anreize. Wir setzen nicht auf Zwang und Ordnungsrecht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Verlinden?

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):
Gerne.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herzlichen Dank, Frau Weisgerber, dass Sie die Frage zulassen. - Sie haben einen ganz wichtigen Punkt angesprochen, nämlich den Klimaschutz in den Regionen vor Ort, in den Kommunen. Das BMU fördert schon eine ganze Weile Masterplan-Kommunen, die sich zum Ziel gesetzt haben, bis zum Jahr 2050  100 Prozent klimaneutral zu sein, 100 Prozent erneuerbare Energien umzusetzen. Genau diese Kommunen - so wurde es an mich herangetragen, unter anderem in meinem Wahlkreis - stehen vor Ort immer wieder vor der Herausforderung, diese Ziele, zu denen sie einen wichtigen Teil beitragen wollen, zu erreichen, und zwar, weil die Bundespolitik nicht die richtigen Rahmenbedingungen setzt.

Diese Kommunen sagen mir: Ja, das ist alles wunderbar, wir erarbeiten diese Pläne, wir haben sehr engagierte Menschen in der Region, die ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen; aber es nützt nichts, wenn wir nicht genug Geld haben, um öffentlichen Personennahverkehr zu finanzieren. - Sie sagen auch: Es nützt nichts, wenn die Rahmenbedingungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes so sind, dass sich Bürgerenergiegenossenschaften beispielsweise nicht mehr an großen Solarenergieprojekten beteiligen. Es nützt nichts, wenn wir all diese tollen Pläne entwickeln, aber vor Ort daran scheitern, dass die Bundespolitik nicht die richtigen Anreizen setzt.

Inwiefern können Sie den Kommunen Mut machen, dass sie ihre eigenen Ziele vor dem Hintergrund der Rahmengesetzgebung auf Bundesebene, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem CO2-Preis, erreichen? Im Augenblick ist es so, dass die bundespolitischen Rahmenbedingungen genau das Gegenteil von dem bewirken, was die Kommunen vor Ort eigentlich möchten.

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):
Zunächst einmal möchte ich sagen, dass all die Kommunen, die mutig Klimaschutzpläne aufstellen, eine ganz wichtige Arbeit machen; denn sie bilden ab, wie die Maßnahmen in den Bereichen Verkehr, Gebäudeenergieeffizienz und Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort umgesetzt werden.

Jetzt möchte ich auf die konkreten Vorwürfe und Themen eingehen, die Sie genannt haben, zum Beispiel auf den ÖPNV. Wir haben ein Sofortprogramm aufgelegt, um die Luftqualität zu verbessern. Das Verkehrsministerium unterstützt ganz gezielt eine Reihe von Projekten in den Kommunen, bei denen der ÖPNV auf Elektromobilität umgestellt wird. Ähnliche Projekte gibt es zum Beispiel für Polizeifahrzeuge. Ich weiß, dass Verkehrsminister Scheuer bei vielen Projekten vor Ort ist und die Förderbescheide ausgibt.
Was das Thema Energiegenossenschaften anbelangt, wissen Sie, dass wir die Rahmenbedingungen auch im Rahmen der EEG-Reform so gesetzt haben, dass sie weiterhin arbeiten können, dass wir auf ihre Belange eingegangen sind. In ihrem Sinne ist es natürlich immer noch nicht optimal, aber wir sind im Rahmen der EEG-Reform durchaus auf die Kritikpunkte eingegangen.

Sie haben die CO2-Abgabe angesprochen. Wir haben ein europäisches Instrument, den Emissionshandel. Das ist unser Klimaschutzinstrument. Wir haben gerade eine Reform des Emissionshandels vorgenommen. Diese Reform bewirkt übrigens gerade, dass sich der Preis pro Tonne mehr als verdoppelt hat. Der Markt antizipiert also die Reform, die eigentlich erst später greift. Ich setze nach wie vor auf den Emissionshandel und hoffe, dass wir ihn international ausweiten und auch andere Staaten der Welt dazu bringen können, eine CO2-Bepreisung im Sinne eines marktbasierten Instruments einzuführen. Wir werden auch auf europäischer Ebene weiter darauf hinwirken.

Ich möchte jetzt mit meiner Rede fortfahren. Dass meine Redezeit schon weiterläuft, habe ich gesehen.
Die Wahrheit ist - da kann ich unmittelbar anknüpfen -: Der Klimawandel macht nicht an den Ländergrenzen halt. Werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, allein können wir unsere Klimaziele in Deutschland nicht erreichen; wir brauchen auch die anderen Staaten der Welt. Ich möchte es noch einmal in Erinnerung rufen: Deutschland steht für nur 2 Prozent aller weltweiten Emissionen, die USA für 16 Prozent der globalen Emissionen, China sogar für 28 Prozent. Wir können die Klimaziele letztendlich nur erreichen - da setze ich auch auf die europaweiten und die weltweiten Ziele, die im Rahmen des Paris-Abkommens gesetzt wurden -, wenn wir die Entwicklungs- und Schwellenländer dabei unterstützen, ihre Wirtschaft von Anfang an klimafreundlich aufzubauen.

Wir haben in der internationalen Klimapolitik die Rolle eines Taktgebers. Wir sorgen dafür, dass diese Länder erst gar nicht in dem Maße emittieren, wie sie es ohne unsere Hilfe wahrscheinlich tun würden. Wir helfen diesen Ländern im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative. 437 Millionen Euro sind hier für die Förderung der erneuerbaren Energien, des Einsatzes alternativer Kraftstoffe und des Waldschutzes in diesen Ländern vorgesehen; denn der Wald ist eine wichtige Kohlenstoffsenke. Wir fördern auch den emissionsarmen Seeschiffsverkehr. Wir müssen in diesem Bereich unglaublich aufpassen und dort ansetzen.

Damit und mit noch mit weiteren wertvollen Projekten unter anderem unseres Entwicklungshilfeministers Gerd Müller zeigen wir, dass wir Verantwortung in der Welt übernehmen. Dies ist ein wichtiges Signal an unsere Partner in der Welt. Gerade im Hinblick auf die Klimakonferenz in Kattowitz im Dezember wird darum gehen, was die Staatengemeinschaft und die einzelnen Vertragsstaaten leisten müssen und leisten können. Die Entwicklungs- und Schwellenländer brauchen unsere Unterstützung. Nur wenn wir diesen Weg weltweit konsequent weitergehen, werden wir unser Ziel, den Klimawandel einzudämmen, auch wirklich erreichen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)