Drittes Pflegestärkungsgesetz

Der Deutsche Bundestag hat Anfang Dezember das Dritte Pflegestärkungsgesetz verabschiedet.Rund 2,8 Millionen Menschen nehmen aktuell die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung in Anspruch. Die Anzahl Pflegebedürftiger erhöht sich in den nächsten 15 Jahren auf rund 3,5 Millionen. Auf diese Herausforderung wollen wir frühzeitig umfassende Antworten geben. Mit den drei Pflegestärkungsgesetzen, die wir in dieser Wahlperiode umgesetzt haben, haben wir unser Versprechen für eine bessere und zielgerichtetere Pflege für jeden Einzelnen gehalten. Passgenaue Pflege zeichnet sich durch eine bestmögliche Leistungsgestaltung aus und durch ein bestmöglich gestaltetes Umfeld. Die drei Gesetze zur Stärkung der gesetzlichen Pflegeversicherung sind damit Ausdruck von Verantwortung gegenüber einer älter werdenden Gesellschaft und ein solidarisches Zeichen gegenüber Menschen, die unsere Unterstützung und Hilfe brauchen.

Pflegebedürftigkeitsbegriff reformiert

Mit einem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff wird die Pflege in Deutschland im guten Sinne tiefgreifend verändert. Ab 1. Januar des nächsten Jahres werden alle Pflegebedürftigen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung haben. Es wird dann keinen Unterschied mehr geben zwischen Menschen, die aus körperlichen oder aus psychischen Gründen der Pflege bedürfen. Alle haben gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung. Niemand wird dabei benachteiligt – im Gegenteil: Sehr viele Menschen werden ab Januar nächsten Jahres deutlich höhere Leistungen als bisher erhalten. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff wird auch die Leistungserbringung positiv beeinflussen: In diesem Jahr fanden überall in Deutschland Verhandlungen der Pflegeselbstverwaltung statt, um die neue Sicht auf Pflegebedürftigkeit auch in den Rahmenverträgen und in den Vergütungsverhandlungen vor Ort einfließen zu lassen. Dies hat u.a. auch zu einer besseren Personalausstattung geführt. Nicht zuletzt durch die Einführung des neuen Pflegegrads 1 werden perspektivisch bis zu einer halben Million Menschen Unterstützung bekommen, die bislang von der Begutachtung gar nicht erfasst werden konnten. Damit wollen wir bereits frühzeitig eingreifen und Hilfestellungen für Menschen leisten, deren Pflegebedürftigkeit ansonsten womöglich schneller zunehmen und deutlich mehr Hilfen erforderlich machen würde. Mit dem Pflegegrad 1 stärken wir also auch den „präventiven Charakter“ der Pflegeversicherung.

Erweiterung ambulanter Leistungen

Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff werden die ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung erweitert. Pflegerische Betreuungsleistungen gehören künftig zu den Regelleistungen der Pflegeversicherung. Diese wegweisende und fachlich fundierte Erweiterung macht es notwendig, im Dritten Pflegestärkungsgesetz auch das Verhältnis von Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung zu regeln. Hier brauchen wir klare Regelungen. Wir erhalten die Gleichrangigkeit beider Leistungssysteme im häuslichen Umfeld. Gleichzeitig schärfen wir die Verpflichtung zur Zusammenarbeit der Leistungsträger, wenn Menschen auf die Leistungen beider Systeme angewiesen sind. Auch damit helfen wir den Betroffenen, denn für sie ist es wichtig, dass sie ihre Leistungen zügig erhalten und gut beraten werden. Auch für Bewohnerinnen und Bewohner von stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe schaffen wir an der Schnittstelle zwischen Pflege und Eingliederungshilfe sichere Rahmenbedingungen.


Ausweitung der Pflegeleistungen

Zweidrittel aller Pflegebedürftigen werden von Angehörigen gepflegt. Diese brauchen neben einer höheren finanziellen Unterstützung vor allem mehr zeitliche Flexibilität. Bereits mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz haben wir die Pflegeleistungen erheblich ausgeweitet, die Leistungen flexibler nutzbar gemacht und die Hilfen für pflegende Angehörige spürbar verbessert. Wir haben den Grundsatz „ambulant vor stationär“ weiter gestärkt und damit dem Wunsch der meisten pflegebedürftigen Menschen Rechnung getragen, zu Hause zu wohnen – egal, wie viel Hilfe sie benötigen. Wir haben mit dem Ersten Pflegestärkungsgesetz aber auch gezeigt, dass wir unsere Verantwortung für Generationengerechtigkeit gleichermaßen ernst nehmen: Seit 2015 fließen jährlich etwa 1,2 Milliarden Euro in den Pflegevorsorgefonds. Dies geschieht mit dem Ziel, ab Mitte der 30er Jahre dieses Jahrhunderts, wenn die Babyboomer ins Pflegealter kommen, die Beitragsbelastung abzumildern und damit auch das Leistungsniveau der Pflegeversicherung sicherzustellen. Damit haben wir für mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in der Pflegefinanzierung gesorgt. Zur Finanzierung der Kosten wurde der Beitragssatz zur Pflegeversicherung zunächst um 0,3 Prozentpunkte angehoben. Zum 1. Januar 2017 steigt er im Rahmen der zweiten Reformstufe nochmals um 0,2 Prozentpunkte. Somit stehen ab 2017 fünf Milliarden Euro jährlich für konkrete Verbesserungen zugunsten der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und der Pflegekräfte zur Verfügung.

Selbstbestimmtes Leben im Alter

Mit den drei Pflegestärkungsgesetzen ist es vorbei mit der in Verruf geratenen "Minutenpflege" beim Waschen, Anziehen oder beim Essen. Künftig zählt nicht die Zeit, die für die Pflege aufgewendet wird, sondern der Grad der Selbständigkeit eines Menschen, der Pflege braucht. Kein Pflegebedürftiger, der heute schon Leistungen erhält, wird bei der Umstellung schlechter gestellt. Menschen mit körperlichen Einschränkungen werden in den nächst höheren Pflegegrad übergeleitet. Menschen mit geistigen oder psychischen Einschränkungen, die eventuell auch körperlich beeinträchtigt sind, erhalten den übernächsten Pflegegrad. Damit kommen viele Menschen sogar in den Genuss von Verbesserungen.

Handlungsspielräume der Kommunen erweitert

Wir brauchen einerseits engagierte Dienste und Einrichtungen in der Pflege, aber eben auch kommunale Verantwortliche mit starken Ideen für die Vernetzung all derer, die Pflege vor Ort für die Menschen gestalten. Wir erweitern mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz die Handlungsspielräume der Kommunen, indem die Pflegekassen zur Beteiligung an regionalen Pflegekonferenzen verpflichtet werden und die Beteiligungsmöglichkeiten der Kommunen bei den sogenannten niedrigschwelligen Angeboten für Pflegebedürftige und ihre pflegenden Angehörige verbessert werden. Kommunen sollen außerdem ein Initiativrecht bei der Errichtung neuer Pflegestützpunkte erhalten. Zudem ist die Durchführung von bis zu 60 Modellvorhaben zur „Beratung aus einer Hand“ vorgesehen. Altersgerechte Wohnmöglichkeiten sollen gefördert und ausgebaut werden. Daneben wollen wir die niedrigschwelligen Angebote, das Ehrenamt und die Selbsthilfe vor Ort in den Kommunen stärken. Darüber hinaus gilt es die noch ausstehenden Anpassungen an den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff im Recht der Sozialhilfe umzusetzen. Denn Pflegebedürftige, die finanziell bedürftig sind, sollen ebenfalls von der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs profitieren und sicher und zuverlässig die Hilfe und Unterstützung bekommen, die notwendig ist. Damit lösen wir einmal mehr das Versprechen ein, dass niemand hierzulande allein gelassen wird, wenn er oder sie Hilfe braucht.

Missbrauch in der Pflege verhindern

Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, vertrauen immer auch darauf, dass die ihnen gegebene Unterstützung ehrlich ist. Vertrauen ist damit eine wichtige Grundlage im Rahmen einer guten Pflege. Abrechnungsbetrug in der Pflege geht zu Lasten der Pflegebedürftigen, zu Lasten der Beitragszahler und zu Lasten der vielen ehrlichen Anbieter. Daher haben wir bereits mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz wichtige Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Abrechnungsbetrug in der Pflege auf den Weg gebracht. Mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz schärfen wir nochmals nach: Ein systematisches Prüfrecht, das im SGB V eingeführt wird, soll eine regelmäßige Prüfung aller Pflegedienste gewährleisten. Darüber hinaus können Abrechnungsprüfungen in Zukunft auch unabhängig von Qualitätsprüfungen durchgeführt werden. Zudem geben wir der Pflegeselbstverwaltung auf Landesebene vor, Regelungen zur Verhinderung von Abrechnungsbetrug auch in die Rahmenverträge aufzunehmen.


Stand: Dezember 2016