Nach dem Brexit-Referendum: Europa braucht jetzt auch Zeit zur Reflexion

Der Tag nach dem Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der EU ist ein schwarzer Tag für Europa. Gerade als ehemalige Europaabgeordnete bedauere ich die Entscheidung der britischen Bevölkerung über den EU-Austritt zutiefst. Wir müssen das Votum der britischen Wählerinnen und Wähler, die für beide Seiten – sowohl für Großbritannien als auch für die EU – ein großer Schaden ist, jedoch respektieren.

Schon auf der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth im Januar, bei der auch der britische Premierminister David Cameron zu Gast war, war das EU-Referendum ein zentrales Thema. Damals haben wir deutlich gemacht, dass wir ein großes Interesse daran haben, dass Großbritannien als wichtiger und aktiver Partner – auch für uns in Deutschland und Bayern – in einer starken Europäischen Union bleibt.

Doch die Briten haben sich gestern anders entschieden: Für „We‘re out!“ Daher müssen nun die Austrittsverhandlungen rasch durchgeführt werden. Der Respekt vor der demokratischen Entscheidung der britischen Wähler gebietet es, dass die Modalitäten über das künftige Verhältnis der EU zu Großbritannien zügig und besonnen geklärt werden. Es kann dabei jedoch keine Sonderbehandlung für Großbritannien geben. Daher muss gelten: Austritt bedeutet Austritt, die Zeit der Rosinenpickerei ist vorbei.

Das Referendum war eine britische Abstimmung und keine europaweite. Die große Mehrheit der Menschen in den anderen Ländern will die Europäische Union nicht verlassen und sie sehen auch immer noch die Notwendigkeit und die Vorteile des Europäischen Projekts. Die Mehrheit steht klar zum europäischen Projekt. Die Zusammenarbeit in Europa ist eine Frage der Selbstbehauptung des Kontinents. Dennoch muss die Europäische Union deutliche Signale für eine Reform ihrer Politik setzen.

Europa braucht jetzt auch Zeit zur Reflexion. Die CSU will eine bürgernahe Europäische Union, in der die nationale Identität und die Eigenständigkeit der Regionen und Kommunen gewahrt bleiben. Wir setzen uns für eine Europäische Union ein, die Einheit in Vielfalt gestaltet. Wir brauchen eine EU, in der gilt: Mehr Europa im Großen und weniger im Kleinen. Zu meiner Zeit als Europaabgeordnete habe ich stets dafür gekämpft – für ein starkes Europa, das eine Lebensversicherung für all seine Mitgliedstaaten ist.