Schluss mit Abzocke der Verbraucher – Binnenmarktausschuss stimmt für mehr Verbraucherschutz

„Nach dem Willen des Verbraucherschutzausschusses wird der Abzocke im Internet künftig ein Riegel vorgeschoben, und das europaweit! Damit wird eine Kostenfalle, in die viele Verbraucher in den letzten Jahren getappt sind, ein für alle Mal beseitigt", kommentierte Anja Weisgerber, Sprecherin für Verbraucherschutzpolitik der CSU-Europagruppe, die gestrige Abstimmung im Binnenmarkt- und Verbraucherschutzausschuss des Europaparlaments zur neuen Verbraucherrechte-Richtlinie.

Auf bestimmten Internetseiten kann der Verbraucher beispielsweise Kochrezepte herunterladen. Dabei geht er davon aus, dass diese Dienstleistung gratis erfolgt. Bislang schickten unseriöse Unternehmen dem Verbraucher im Nachhinein eine Rechnung über den Download des Rezeptes. Obwohl diese Praxis rechtswidrig ist, zahlen viele Verbraucher den geforderten Betrag aus Angst vor einem Gerichtsverfahren. Um diese dubiosen Geschäftspraktiken zu stoppen, hatte Weisgerber im Ausschuss einen Änderungsantrag mit der so genannten „Button-Lösung" eingereicht, der von den Abgeordneten angenommen wurde. Die Button-Lösung sieht vor, dass ein im Internet geschlossener Vertrag nur dann wirksam wird, wenn der Verbraucher mit einem separaten, zweiten „Klick" auf einen deutlich sichtbaren Button bestätigt hat, das er von der Kostenpflichtigkeit der Leistung Kenntnis genommen hat und dennoch einen wirksamen Vertrag abschließen möchte.

Die EU-Abgeordneten stimmten weiter für einen Antrag Weisgerbers, der vorsieht, dass Warteschleifen bei Telefon-Hotlines künftig kostenlos sein sollen. Unternehmen verlagern ihre Kunden- und Beschwerdedienste zunehmend auf Call-Center. Bei vielen dieser telefonischen Service- oder Kundendienste fallen häufig sehr lange Wartezeiten an, wenn bis zum Erreichen eines kompetenten Ansprechpartners die telefonische Verbindung mehrere Minuten gehalten werden muss („Warteschleifen"). „Lange Warteschleifen bei Hotlines sind ein teures Ärgernis. Wenn ich als Verbraucher mit meinem Telefonanbieter einen langfristigen Vertrag habe, dann muss mein Anbieter für Fragen oder Beschwerden im Zusammenhang mit meinem Vertrag kostenlos erreichbar sein. Was hier teilweise an überhöhten Telefongebühren verlangt wird, ist nicht gerechtfertigt. Auch mit dieser Abzocke der Verbraucher muss Schluss sein", so Weisgerber.

Ausblick

Das Plenum des Europäischen Parlaments wird am 8. März 2011 über den Richtlinienentwurf abstimmen. Die nationalen Verbraucherschutzminister, an die der Parlamentstext im Anschluss übermittelt wird, beraten parallel über das Dossier und haben sich am 20. Januar 2011 auf eine generelle Linie geeinigt, ohne jedoch die Details festzulegen.

Hintergrund

Diese beiden im Ausschuss abgestimmten Änderungen sind Teil der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher (KOM (2008) 614.

Grenzüberschreitendes Online Shopping nimmt eine stetig wachsende Bedeutung im europäischen Binnenmarkt ein. 2010 haben fast 60 % der europäischen Verbraucher Waren oder Dienstleistungen über das Internet gekauft, 2009 waren es nur rund 40 %. Die derzeitigen 27 unterschiedlichen nationalen Verbraucherrechtsregelungen stellen aber sowohl für Verbraucher als auch für die Unternehmen ein Hindernis dar, den europäischen Binnenmarkt voll zu nutzen.

Bei einer verdeckten Studie der Europäischen Kommission wurden 60 % aller Online-Test-Bestellungen von Produkten des täglichen Bedarfs von den Unternehmen abgelehnt, wenn die Bestellung aus einem anderen Land als dem Sitz des Unternehmens kam. So war es Kunden beispielsweise nicht möglich, das Online-Bestellformular auszufüllen, da ihr Heimatland nicht in der vom Hersteller vorgegebenen Länderliste auftauchte. In einigen Fällen verweigerte das Unternehmen generell, Ware ins Ausland zu versenden.

Dieses Beispiel machen deutlich, dass die Möglichkeiten des gemeinsamen EU-Binnenmarktes derzeit nicht ausgeschöpft werden, weil Unternehmen und Verbraucher wegen der unterschiedlichen nationalen Verbraucherschutzvorschriften häufig davor zurückschrecken, grenzüberschreitende Geschäfte zu tätigen.

Die Europäische Kommission hat im Herbst 2008 einen Vorschlag für eine neue Verbraucherrechte-Richtlinie vorgestellt, mit dem die vier existierenden Richtlinien über Haustürgeschäfte (RL 1985/577/EWG), unfaire Geschäftsbedingungen (RL 1993/13/EWG), Fernabsatzgeschäfte (RL 1997/7/EG) und den Verbrauchsgüterkauf (RL 1999/44/EG) zusammengefasst und reformiert werden sollen. Ziel der Richtlinie ist es, Rechtssicherheit bei grenzüberschreitenden Geschäften herzustellen und den Flickenteppich aus 27 unterschiedlichen nationalen Einzelregelungen zu beseitigen.

Daher hat der Verbraucherschutzausschuss für mehr Transparenz bei den Preisangaben gestimmt. Künftig müssen Unternehmen überall in der Europäischen Union sämtliche Kosten und Gebühren, die bei einer Online-Bestellung anfallen, aufführen. Zusätzlich muss der Verbraucher vor Vertragsabschluss deutlich den kompletten Gesamtpreis seiner Bestellung erfahren. Bislang waren Verbraucher insbesondere bei Flugreisen vielfach im Nachhinein von den Gesamtkosten überrascht worden.

Nach dem Willen der Europaabgeordneten wird es künftig auch erstmals ein EU-weites 14-tägiges Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen (z.B. Online-Bestellungen) geben. So kann ein deutscher Verbraucher seinen Vertrag, mit dem er eine Ware in einem EU-Staat bestellt hat, innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt der Ware widerrufen – unabhängig davon, ob er die Bestellung in Schweden, Italien oder Rumänien getätigt hat.