Europas Werte und Ziele

Europas Werte und Ziele - im Zentrum einer gesellschaftlichen Diskussion
Liebe Mitglieder des Ev. Arbeitskreises der CSU,
sehr geehrte Damen und Herren.

Freue mich sehr, heute beim traditionellen Adventstreffen des evangelischen  Arbeitskreises der CSU am Schwanberg dabei zu sein.
"Europas gemeinsame Werte und Ziele" - unter dieses Stichwort ist mein heutiges Referat gestellt.
Ich danke Ruth Bauer herzlich für diesen Impuls.
Es freut mich sehr, zu diesem interessanten Thema sprechen zu dürfen.
Bevor ich dann tatsächlich auf dieses Thema eingehe, würde ich Ihnen gerne noch ein paar Fakten aus meinen ersten 100 Tagen erzählen.
Broschüre und Gewürze
Viel erlebt, viel zu viel
Beginnen mit Erkenntnis, bereits im Wahlkampf gewonnen,  noch verstärkt: Stellt euch mal vor, Europa ist wichtig – und keinen interessiert`s. 
Beinahe so Eindruck der ersten Monate.
Für viele Menschen: System Europa „black box“ – undurchsichtig und weit weg.
Sie behaupten, dass Europa unwichtig, ohne sich damit zu beschäftigen.
Eindruck trügt: Europapolitik wird immer wichtiger, 70 %, 
Europapolitik = Innenpolitik
BReg./BRat nur noch Farbe des Lackes, Karosserie kommt von der EU – und zwar in zentralen Themen wie dem Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, Wirtschaftspolitik und zunehmend auch in der Bildungspolitik!
13. Juni 2004 Wahl Vertreterin für Ufr.
Nicht nur Beruf, sondern Berufung.
Traumjob, viel spannender
Ersten 100 Tage: Kein Kinderspiel, es verlangt vollen Einsatz.
44 Wochen, Brüssel, Straßburg, Wahlkreis
Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.
Umwelt-, Sozial- und Sportpolitischen Sprecherin Interparl. Delegationen zum Mittelmeerraum, Chile.
AG Bioethik der Fraktion, SME-Union
Junge Gruppe
ABER: DAS WICHTIGSTE IST:
Sehe mich als Anwältin für Unterfranken.
Europa Bürgern näher
3 Säulen: AG Europa, Büro in SW, Sprechstd.
AG Europa: Sitzungen zu Themen, Antrittsbesuche
Büros, Mitarbeiter
Inhaltliche Schwerpunkte:
Umwelt:
Energiepolitik (Energiepapier,
Schattenbericht zur Energiesicherheit),
die Neuordnung der europäischen
Chemikalienpolitik (REACH-Verordnung)
sowie Artenvielfalt und die Umsetzung des „Natura 2000“-Biotopverbundes (Broschüre)
Im Bereich Gesundheit (ausschussübergreifend):
Patientenmobilität, e-health im Allgemeinen (besondere Bedeutung für die   Region),
Medikamentensicherheit und – zulassung (Experten-Panel geleitet),
Gesundheit von Kindern (gesunde Ernährung)
Gesundheit und Sicherheit am AP
   Bericht! Erste Rede!
Im Bereich der Lebensmittelsicherheit geht es derzeit u.a. um die Umsetzung der EU-Anforderungen zur absoluten Rückverfolgbarkeit und   gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln (health claimes).
GRÜNE GENTECHNIK!!!
Als sportpolitische Sprecherin der CSU-Gruppe im EP unterstütze ich nicht nur das laufende „Europäische Jahr der Erziehung durch Sport“.
Ich baue auf eine intensive Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sportbund und den Vereinen vor Ort.
Beschäftige mich auch mit fachfremden Themen, die aber Ufr. bes. betreffen: Zuckermarktref., Del.!

Jetzt  möchte ich zum eigentlichen Thema meines Referates kommen: "Europas gemeinsame Werte und Ziele".
Viel zu oft wird die europäische Diskussion auf rein wirtschaftliche Themen beschränkt.
Das ist auch wichtig, keine Frage, aber: Schuman, Churchill und  Adenauer hatten bei der Begründung der europäischen Idee nicht nur wirtschaftliche Interessen vor Augen.
Nicht ganz fünf Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges war es ihre Vision, dass so etwas nie wieder passieren dürfe.
Was sie wollten, war ein Europa in Freiheit, Frieden,  Demokratie und Solidarität - eine Wertegemeinschaft also.
"Europa ist kein Ort, sondern eine Idee" - so der französische Kulturphilosoph Bernard-Henri Lévy.
Gerade wir, die konservativen Parteien, drängen auf eine Neuorientierung der Europäischen Union nach ihrer Erweiterung.
Zurück zu den Wurzeln, sich besinnen auf das, was man gemeinsam hat, was uns zu dem macht, was wir sind:
In Vielfalt geeint (Im Verfassungsvertrag als offizielles Motto der EU festgeschrieben).
Klare Werte, klarer Kurs - dafür steht die CSU. 
Und dieser Slogan gilt auch für unsere  Arbeit auf der europäischen Ebene.
Ein größer werdendes Europa, so lautet unser wertkonservatives, politisches Credo, muss von gemeinsamen ethischen Werten  getragen werden.
Wie aber lässt sich diese Wertegemeinschaft konkret im gesellschaftspolitischen Leben verankern, vertiefen und vermitteln?
Wer sich mit Europas Zielen und Werten beschäftigt, trifft schnell auf viele offene Fragen:
So muss man sich überhaupt mit dem Wertbegriff allgemein befassen. 
Klärungsbedürftig ist aber auch der Begriff "Europa".
Was ist Europa?
Wo liegt es?
Wer gehört dazu und wer nicht?
Und wer entscheidet darüber?
Europa ist nach heutigem Sprachgebrauch zunächst ein Kontinent.
Im Verlauf der Geschichte wurden durchaus unterschiedliche Konstellationen und Gebiete als Europa bezeichnet.
Warum aber gerade der Name Europa?
Der Name stammt - so zumindest die meistzitierte Sage - von einer phönizischen Sonnengöttin, die Zeus der Sage nach von Kleinasien nach Kreta 
entführt hatte.
Als Europa bezeichneten die Griechen im 7. Jhd. v. Chr. das Festland im Norden ihres Siedlungsgebietes.
Die Römer erweiterten die Bezeichnung auf die gesamte Mittelmeerwelt, später auch auf Gallien und Teile des heutigen Großbritannien.
Zur Zeit der Völkerwanderung wurde schließlich auch Germanien zu einem Teil von Europa erklärt.
Karl der Große, im Jahr 800 n.Chr. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt, wurde "Vater Europas" genannt.
Nachdem das Christentum aber das Glaubensmonopol errungen hatte, trat der Begriff der Christenheit - des Corpus Christianum -  weitgehend an die Stelle der Bezeichnung "Europa".
Im weiteren Mittelalter wurde der Begriff "Europa" kaum noch verwendet.
Manche Forscher führen den Namen Europa auch zurück auf die griechischen Worte eurus (weit) und ops (Auge) - zusammen also WEITBLICKEND.
Wenn dem so ist, sollte uns der Name auch politisches Programm sein.
Heute wird Europa oftmals mit der Europäischen Union, d.h.  einem konkreten politischen Gebilde gleichgesetzt.
Der Entwurf einer Verfassung für die Europäische Union trägt den Titel "Verfassung für Europa".
Artikel 1 (2) erklärt: "Die Union steht allen europäischen Staaten offen, die ihre Werte achten und sich verpflichten, ihnen gemeinsam Geltung zu verschaffen."
Doch welche Staaten sind gemeint? Norwegen, die Schweiz  oder Liechtenstein wären auf jeden Fall willkommen.
Aber wie steht es mit Weißrussland, der Ukraine, Georgien oder Aserbaidschan?
Warum sind wir als CSU vehement gegen die Türkei, die ebenfalls dem Europarat und außerdem noch der Nato angehört?
Und was ist mit Russland, dessen Territorium sich zwar jenseits des Ural, geographisch betrachtet, über Nordasien erstreckt, das aber wie die zuvor genannten Staaten Mitglied des Europarates ist?
Die Grundwerte der Europäischen Union sind dieselben wie diejenigen des 1949 gegründeten Europarates, nämlich Menschenrechte und Demokratie.
Gemäß Artikel 7 (2) strebt die Europäische Union den Beitritt zur Europäischen 
Menschenrechtskonvention an.
Aber wäre dies auch ein hinreichender Grund, um für eine Erweiterung der Europäischen Union bis zum Kaspischen Meer oder bis Wladiwostok zu plädieren?
Wenn aber die Türkei eines Tages Mitglied werden sollte, warum dann nicht irgendwann in der Zukunft auch Marokko oder Algerien?
Schließlich haben die Römer, wie bereits erinnert wurde, einst den gesamten Mittelmeerraum als Europa bezeichnet.
Und wenn schon das vor der Küste der Türkei, Syriens und des Libanon gelegene Zypern der uropäischen Union angehören darf, weshalb dann nicht auch Israel, gesetzt den Fall, es wollte dies überhaupt und fände eines Tages zu einer friedlichen Koexistenz mit den Palästinensern?
Schließlich ist Israel auf wechselvolle, auch leidvolle Weise mit der Geschichte Europas und seiner Kultur verbunden und ganz gewiss ein demokratischer und westlichen Werten verpflichteter Staat.
Wie die Türkei macht das Land beim Europäischen Song-Contest und bei europäischen Fußball-Wettbewerben mit.
Wir müssen uns der Frage nach Europas Grenzen eingehend widmen - und sie auch mit der Wertefrage verknüpfen!
Es stellt sich die Grundsatzfrage, ob eine Ausdehnung der Europäischen Union zumindest auf den gesamten Kontinent Europa - nach heutigem geographischem Sprachgebrauch - überhaupt wünschenswert ist.
Und zwar sowohl für die Europäische Union als auch für die noch nicht beigetretenen Staaten.
Töricht und verhängnisvoll wäre die Unterstellung, wer der Europäischen Union auch künftig nicht angehöre oder angehören wolle, gehöre nicht zu Europa. Solch eine Sichtweise bereitet den ideologischen Nährboden für die Vorstellung von einer Festung Europa mit unüberwindlichen Mauern und harten Unterscheidungen zwischen denen, die dazugehören, und denen, die draußen   bleiben müssen.
Die geographische Expansion der Europäischen Union ist keine hinreichende Bedingung für Frieden und Stabilität und kein Selbstzweck.
Es kommt nicht so sehr darauf an, Europas Außengrenzen zu verschieben, sondern darauf, die Grenzen innerhalb und außerhalb Europas durchlässiger zu machen, und zwar nicht nur die Grenzen, die von Schlagbäumen und Zollbeamten bewacht werden, sondern vor allem die Grenzen in unseren Köpfen und Herzen.
Die große Aufgabe der nächsten 50 Jahre muss es sein, Europa politisch zu formen, zu vertiefen.
Europäisch denkt nur, wer über Europas Grenzen, auch über die jetzigen und die künftigen Grenzen der Europäischen Union hinaus denkt.
Die Autoren des europäischen Verfassungsentwurfs sind sich der Bedeutung der gemeinsamen Werte bewusst, wenn sie ausdrücklich von Werten sprechen, auf denen die Europäische Union beruhe.
Die schöpft, wie es in der Präambel heißt, "aus den kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas, deren Werte in seinem Erbe weiter lebendig sind und die zentrale Stellung des Menschen und die Unverletzlichkeit und Unveräußerlichkeit seiner Rechte sowie den Vorrang des Rechts in der Gesellschaft verankert haben".
Das Ziel der Union besteht nach den Worten des Verfassungsentwurfs darin, "dass ein nunmehr geeintes Europa auf diesem Weg der Zivilisation, des Fortschritts und des Wohlstands zum Wohl all seiner Bewohner, auch der Schwächsten und der Ärmsten, weiter voranschreiten will, dass es ein Kontinent bleiben will, der offen ist für Kultur, Wissen und sozialen Fortschritt, dass es Demokratie und Transparenz als Wesenszüge seines öffentlichen Lebens stärken und auf Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität in der Welt hinwirken will".
Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind gemäß Artikel 2 des Verfassungsentwurfs "die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie,  Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte; diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Nichtdiskriminierung auszeichnet".
Wir diskutieren gerade den Beitritt der Türkei.
Für uns in der CSU ist klar: Wir wollen eine privilegierte Partnerschaft, keinen Beitritt, der beide Seiten überfordert.
Kommende Woche hat der Rat über Beitrittsverhandlungen abzustimmen.
Die Türkei gehört nicht zu Europa - weder geografisch noch kulturell.
Das Erbe der Antike, die jüdisch-christliche Ethik, die Renaissance und die  Aufklärung sind an ihr genauso vorübergegangen wie an uns die Kultur des Harems.
Heute gehört nur noch ein Zipfel der Türkei, Türkisch-Thrakien, zu Europa.
Ankara missachtet Menschenrechte - Bis heute leugnen die Regierung, das Parlament und viele türkische Historiker den Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1895/96 und 1914/15. Prekärer noch: Selbst nach Amtsantritt Erdogans wird in der Türkei flächendeckend gefoltert.
Die Wahrung der Menschenrechte scheint nicht gewährleistet.
Es droht eine Völkerwanderung - In der Europäischen Union herrscht das Prinzip der Freizügigkeit. 
Jeder darf dort hinziehen, wo es ihm gefällt.
Das gilt auch für die Türken als    Mitglieder der EU – selbst wenn Brüssel   Übergangsfristen von bis zu sieben Jahren wie im Falle Polens einführen sollte.  Experten fürchten, dass bis zu drei Millionen Menschen gen Nordwesten ziehen könnten.
Etwa 15 Millionen Moslems leben in der EU, allein in Deutschland 2,5 Millionen Türken.
Die Unionsidee wird zerstört - In dem Versuch, Europa aus den Trümmern des Weltkrieges zu führen und es zu einen, lag stets auch die Idee, „eine Art Vereinigte Staaten von Europa“ zu schaffen, wie es Winston Churchill 1946 in seiner Züricher Rede formulierte.
Bis heute halten die meisten Mitglieder der EU daran fest.
Will man den Unionscharakter bewahren, will man die Union vertiefen, ist ein europäisches Wirgefühl vonnöten.
Ein EU-Beitritt der Türkei – in 20 Jahren das bevölkerungsreichste Land der EU – brächte die wirklich europäischen Staaten auseinander.
Aus diesem Grund sind übrigens die Briten für den Beitritt Ankaras.
Sie hoffen, die EU mithilfe der Türkei in eine Freihandelszone zu verwandeln und die politische Vertiefung  zu unterlaufen.
Die Kosten sind nicht zu bewältigen - und das in allen Bereichen: finanziell, politisch und in sozialer Hinsicht.
Experten verschiedener unabhängiger Institute haben errechnet, dass der Beitritt der Türkei weitaus teurer wäre als die Aufnahme aller zehn neuen  Länder am 1. Mai.
Nimmt man an, dass Ankara genauso behandelt wird wie jene zehn, hätte es Anspruch auf über 45 Milliarden Euro.
Doch damit nicht genug: Der türkische Agrarmarkt – er macht immer noch über 14 Prozent des türkischen Bruttoinlandsproduktes aus – brächte Brüssel und seine Agrarpolitik in schwerste Bedrängnis.
Die EU ist keine karitative Anstalt - Die Entwicklung in der Türkei ist eine innertürkische  Angelegenheit.
Die Türkei selbst und viele Anhänger eines Beitritts sehen das anders. 
Sie instrumentalisieren die EU, um eine bestimmte politische Linie im Land  durchzusetzen.
Die Türkei muss ein Eigeninteresse an Reformen und der Modernisierung haben.
Die Türkei muss ihre politischen Hausaufgaben selbst lösen.
Die EU kommt in schwierigste Nachbarschaft - Wäre Ankara Mitglied in der EU, stießen Europas Grenzen an die zentralen Konfliktregionen der  Erde.
Das Beitrittsversprechen ist Legende Um die Südostflanke der Nato auch wirtschaftlich zu stabilisieren, baten die Amerikaner in der Hochzeit des Kalten Krieges darum, der Türkei  wirtschaftlich auf die Beine zu helfen.
Aus  diesem Grund eröffnete der europäische Klub der sechs in Art.28 des   Assoziierungsvertr. von 1964 Ankara die prinzipielle Möglichkeit eines Beitritts.
Nur war damit die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gemeint.
Ein Beitritt zu einer politischen Union stand nie zur Diskussion.
Es gibt sinnvolle Alternativen – die privilegierte Partnerschaft, Modell der CDU/CSU – auch für andere Nachbarregionen der EU.
Der Schriftsteller Reinhold Schneider hat einmal gesagt: "Wenn Europa nicht unser Innerstes ist, unseres Herzens Herz, dann ist es nicht."
Generell ist viel davon die Rede, man müsse Europa, konkret der Europäischen Union eine Seele geben.
Wie weit die Union ein Europa der Bürgerinnen und Bürger wird, hängt weniger von einem Wertekonsens ab, der nicht exklusiv europäisch ist, als von der  Funktionsfähigkeit und vom faktisch erfahrbaren Nutzen dieses politischen    Gebildes Die Ziele der Union und ihre Werte wie Menschenwürde, Gerechtigkeit, Solidarität und Sozialstaatlichkeit müssen für die Menschen konkret erfahrbar werden und nicht bloß auf dem Papier einer Verfassung stehen.
Nur dann werden sich die Menschen mit der Europäischen Union identifizieren können.
Die Europäische Union ist eine Werte- oder Gesinnungsgemeinschaft, sie ist aber auch eine Interessensgemeinschaft.
Diese Feststellung ist alles andere als abschätzig gemeint,  ganz im Gegenteil.
Die Geschichte Europas belehrt uns, dass gemeinsame Werte oder Überzeugungen noch keine hinreichende Gewähr für Frieden und Gerechtigkeit sind.
Das sollten auch diejenigen bedenken, die heute in leicht erhobenem Ton die Forderung erheben, Europa eine Seele zu geben und die  geistige Leere einer rein auf wirtschaftliche Interessen ausgerichteten Politik tadeln.
Die Vision der Gründerväter vom friedlich vereinten "Europa der Vaterländer" wurde geboren in den Trümmern eines durch zwei Weltkriege und durch inhumane Ideologien verwüsteten Kontinents.
Die Väter des neuen Europa erkannten aber richtig, dass dauerhafter Frieden nicht allein durch die Berufung auf gemeinsame Werte, sondern durch den Ausbau und die Verflechtung gemeinsamer Interessen gefördert wird.
Es war daher keineswegs ein Geburtsfehler des europäischen Einigungsprozesses, sondern im Gegenteil eine entscheidende Voraussetzung für sein bisheriges Gelingen, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit am Beginn stand.
Gemeinsame wirtschaftliche Interessen, friedlicher Handel und eine immer engere Verflechtung der Interessen haben sich als wesentlicher Motor für die  Schaffung eines friedlichen Europas  erwiesen.
Nochmal zurück zum grundlegenden Begriff der Werte, der ja hier im Mittelpunkt der Ausführungen steht und in seiner Auslegung alles andere als  einfach ist.
Denn wer für moralische Werte und gegen den Geist des Materialismus streiten möchte, sei daran erinnert, dass der Wertbegriff - streng genommen - von Haus aus gar kein ethischer, sondern ein ökonomischer Begriff ist.
Der Wert einer Sache bestimmt ihren Preis, der am Markt zu  erzielen ist.
Auch das in ethischen Debatten verwendete Wort "Grundwert" stammt aus der Wirtschaftssprache und bezeichnet von Haus aus den "Bodenwert".
Wir sprechen vom Gebrauchswert, Tauschwert oder Realwert von Gütern.
Menschen aber haben, wie uns Immanuel Kant belehrt, keinen Wert, sondern Würde.
Nicht Werten, sondern Menschen hat die Politik zu dienen.
Daran sollten auch die Kirchen denken, wenn sie ihren Beitrag zu einem  Europa der Werte zu formulieren versuchen.
Die biblische Botschaft von der Menschenfreundlichkeit Gottes, die in Jesus Christus sichtbar geworden ist, unterbricht die Logik des Wertens und  Umwertens auf heilsame Weise.
Solche Unterbrechung und solche Nachdenklichkeit können auch der europapolitischen Debatte über gemeinsame Werte nicht schaden.
Dass das moderne Europa christliche Wurzeln hat, lässt sich kaum bestreiten. Die heutige Suche nach europäischen Werten darf aber nicht mit der Verteidigung einer  christlichen "Leitkultur" verwechselt werden.
Das moderne Europa ist religiös und weltanschaulich plural. 
Daher bedarf es eines unter anderem spezifisch europäischen Dialogs der  Religionen, den die evangelische Kirche vorbildhaft betreibt und fördert.
Die in Europa vertretenen Kirchen und Religionsgemeinschaften müssen die Entwicklung demokratischer Strukturen und Werte als gemeinsame Aufgabe begreifen, soll dieses Europa gedeihen und nicht zum Schauplatz neuer religiöser und kultureller Konflikte werden.
Darin besteht konkret die Herausforderung an die Pluralismusfähigkeit der Kirchen und der Religionen im Europa von heute. 
Sich dieser Herausforderung zu stellen, ist einer der wesentlichen Beiträge, den die Kirchen und die nichtchristlichen Religionen zur Vertiefung Europas als  Wertegemeinschaft leisten können.