Rede anlässlich des Europatages des Regiomontaunus-Gymnasiums Haßfurt

Sehr geehrter Herr Oberstudiendirektor Bauer,
Sehr geehrter Herr Gössl,
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler.
Das Thema der heute Veranstaltung ist ja „Was können die Schüler von Europa erwarten?“
Meiner Meinung nach ist der Europatag, der heute hier am Regiomontanus-Gymnasium veranstaltet wird, ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man Schülern Europa nahe bringen kann.
Denn so wird Europa greifbar und erlebbar.
Deshalb bin ich sehr gerne gekommen.
Ich möchte zunächst Herrn Gössl für die Organisation des Tages danken.
Ich halte es für sehr wichtig, gerade junge Leute über Europa zu informieren.
Denn Europa ist Eure Zukunft!
Europa ist die gemeinsame Zukunft für junge Menschen aus mittlerweile 27 Mitgliedstaaten.
Ich finde es toll, wenn Europa im Unterricht eine so große Rolle spielt, wie an Eurer Schule.
Dennoch kommt das Thema Europa in den meisten Schulen noch zu kurz.
Im vergangenen Jahr hat die Europäische Kommission eine Studie durchgeführt, um zu untersuchen, welchen Stellenwert Europa in den Lehrplänen der Bundesländer hat.
Diese Studie kommt zu keinem guten Ergebnis.
Auch im Lehrplan für Bayern müsste Europa eine größere Rolle spielen.
Der letzte Beschluss der Kultusministerkonferenz zur Europäischen Union im Lehrplan stammt noch aus dem Jahr 1990.
Damals gab es aber noch nicht mal eine Europäische Union, sondern nur die Europäische Gemeinschaft!
Damals hatte die EG nur 12 Mitgliedsstaaten und nicht 27 wie heute!
Damals war an den Euro als gemeinsame Währung noch nicht mal zu denken!
Und sicherlich waren viele von Euch Schülern auch noch nicht geboren.
PAUSE
In den letzten 18 Jahren hat sich die Europäische Union grundlegend gewandelt.
Europa ist für uns alle zur alltäglichen Realität geworden.
Leider merkt man das den Schullehrplänen noch nicht in ausreichendem Maße an.
In Bayern werden für den Sozialkundeunterricht in der Jahrgangsstufe 13 im Grundkurs „Internationale Politik“ insgesamt sieben bis zehn Schulstunden vorgesehen, die sich mit Europapolitik beschäftigen.
Und das halte ich für viel zu wenig.
Zum Glück gibt es aber auch Schulen, die Europa mehr Beachtung schenken.
Wie Euer Regiomontanus-Gymnasium.
Hier wird heute ein Europatag durchgeführt.
Wir können hier gemeinsam über Europa diskutieren.
Außerdem hat mich im letzten Jahr bereits eine Gruppe von eurer Schule im Europäischen Parlament besucht.

Ich würde mich sehr freuen, wenn mich auch im nächsten Jahr wieder eine Gruppe Eurer Schule besuchen würde und ich so einige von Euch im Parlament wiedersehen könnte.
Denn ich finde es immer wieder besonders wichtig, wenn man Europa selbst erleben kann.
Eine andere Möglichkeit dafür sind beispielsweise Europa-Planspiele.
Ich bin erst vor wenigen Tagen von einer Schülerin angeschrieben worden, die in so einem Modellspiel des Europäischen Parlaments Italien vertritt und mich gebeten hat, Ihr zur Vorbereitung einige Unterlagen zur EU-Politik gegen Kindesmissbrauch zuzuschicken.
Ich habe der Schülerin diese Bitte sehr gern erfüllt.
Denn ich habe mich über das Engagement der Schülerin gefreut und glaube, dass man Europa in einem solchen Simulationsspiel besser verstehen lernt.
Darüber hinaus bringen solche Planspiele auch ein besseres Verständnis des Zusammenspiels der verschiedenen europäischen Institutionen.
Ihr lernt, wie Gesetzgebungsprozesse auf europäischer Ebene ablaufen.
Dieses Wissen wird immer wichtiger, denn auch der Einfluss der EU wird immer größer.
Ich möchte Euch ein Beispiel aus meiner Arbeit im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments nennen: mittlerweile werden etwa 80 % der Entscheidungen im Umweltbereich, aber auch in anderen Bereichen wie der Agrarpolitik, nicht mehr auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene getroffen.
Das zeigt, wie wichtig die EU geworden ist.
Beispielsweise findet die EU bei WTO-Verhandlungen deutlich mehr Gehör, als wenn 27 Einzelstaaten verhandeln würden.
Auch im Kampf gegen den Klimawandel kann nur ein gemeinsames Vorgehen zum Erfolg führen.
Denn der Klimawandel macht vor Landesgrenzen nicht halt.
Und gerade in Umweltfragen ist die EU Vorreiter und Vorbild für den Rest der Welt.
Beispielsweise hat die Europäische Union unter der Federführung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer historischen Entscheidung festgelegt, dass der CO2-Ausstoß bis 2020 um 20 % gesenkt, die Energieeffizienz verbessert und der Einsatz erneuerbarer Energien auf 20 % erhöht werden muss.
Diese Entscheidung ist deshalb so wegweisend, weil sich erstmals in der Geschichte Staaten verpflichten, gemeinsam und koordiniert gegen den Klimawandel zu kämpfen.
Das ist ein toller Erfolg und ein wichtiger Ansporn für den Rest der Welt, sich ebenfalls für unsere Umwelt einzusetzen.

Doch auch in unserem täglichen Leben profitieren wir immer wieder von der EU.
Da kann ich Euch ein tolles Beispiel nennen:
Ihr habt doch sicher alle ein Handy.
Und Euch ist es vielleicht auch schon passiert, dass Ihr im Urlaub wart, von dort aus mit Freunden in Deutschland telefoniert habt und dann eine sehr hohe Handyrechnung bekommen habt.
Das lag dann an den hohen Roaming-Gebühren.
Die wurden im letzten Jahr auf Initiative der EU gesenkt!
So kosten ausgehende Gespräche mit dem Handy im Ausland max. 43 Cent pro Minute, und eingehende Gespräche max. 19 Cent/Minute.
Weiterhin setzen wir uns auf EU-Ebene dafür ein, dass auch die Kosten für das Versenden von SMS im Ausland deutlich billiger wird.
Denn es kann doch nicht sein, dass das im europäischen Binnenmarkt nicht besser geregelt ist!
Ab dem Sommer nächsten Jahres sollen die Roaming-Kosten für das Versenden von SMS bei max. 11 Cent liegen.
Das wäre auch eine deutliche Senkung der SMS-Preise.
Denn momentan liegen die Preise bei bis zu 75 Cent je SMS.
Und das wird sich ändern!
Dafür setzt sich die EU ein!
Die EU bietet auch viele Vorteile und Möglichkeiten gerade für junge Menschen:
Lernen, Studieren, Arbeiten und Reisen ohne Grenzen
Schulpartnerschaften und das Erlernen von Fremdsprachen im Schulunterricht werden von der EU unterstützt;
der Austausch von Jugendlichen, seien sie Schüler, Studenten oder junge Arbeitnehmer, wird durch verschiedene Programme gefördert;
Schul- und Berufsabschlüsse werden europaweit anerkannt;
Studiengänge werden vergleichbar gemacht, um das Studium und die Arbeit in anderen EU-Staaten zu erleichtern;
Weiterhin fördert die EU gerade den Austausch junger Menschen während ihrer Ausbildung oder ihres Studiums.

Damit sind wir bei der Frage, wie Schüler gute Europäer werden können: indem sie sich am europäischen Austausch beteiligen.
So lernen sie Europa viel besser kennen.
Die Aufgabe der Lehrer ist es dabei, ihre Schüler über diese Möglichkeiten zu informieren, die ich Euch jetzt kurz vorstellen möchte.
Konkret für Schüler hat die EU das Programm „Comenius“ eingerichtet.
Damit fördert die EU den Austausch von Schülern, wie Praxisaufenthalte im EU-Ausland, Studienbesuche oder Schulpartnerschaften.
Aber auch die Weiterbildung der Lehrer wird über Comenius gefördert.
Für solche Aktivitäten hat die EU 906 Millionen € bis 2013 zur Verfügung gestellt.
Und ich weiß, dass Eure Schule seit 2003 auch erfolgreich Comenius-Fremdsprachen-Projekte mit Schulen in Schweden und Italien Partnerschaften gegründet hat.
Weiterhin gibt es Austauschprogramme mit Schulen in England, Frankreich, Israel, Italien, Polen, Schweden und Spanien.
Doch auch nach Beendigung der Schule unterstützt die Europäische Union junge Menschen weiter.
Für Studenten gibt es seit mehr als 20 Jahren das Programm „ERASMUS“.
ERASMUS ist ein großer Erfolg und wohl jedem Studenten in Europa ein Begriff.
Mit diesem Programm wird versucht, die europäische Dimension des Studiums stärker herauszustellen, in dem die Europäische Union den Austausch von Studenten und Dozenten fördert.
Um die im Ausland erbrachten akademischen Leistungen anerkennen zu können, wurde ECTS eingeführt.
Dieses europäische System zur Anrechnung von Studienleistungen soll das Studium im Ausland für Studierende wie für Dozenten transparenter und berechenbarer machen.
Momentan beteiligen sich 2199 Hochschulen in 31 europäischen Staaten an ERASMUS.
Seit der Gründung des Programms im Jahr 1987 haben über 1,2 Millionen Studenten von einer Förderung durch ERASMUS profitiert.
Allein für den Zeitraum von 2000-2006 hatte das ERASMUS-Programm ein Budget von 950 Mio. €.
Das Budget wurde für die neue Förderperiode bis 2013 noch mal aufgestockt und liegt jetzt bei insgesamt 2,8 Milliarden Euro.
Dies zeigt, welche Bedeutung der Studentenaustausch für die Europäische Union hat.
Ich kann Euch nur wärmstens ans Herz legen, falls Ihr Euch für ein Studium entscheidet, auch eine Zeitlang im Ausland zu studieren und damit Europa wirklich zu erleben.
Durch einen Studienaufenthalt im Ausland kommt man mit vielen jungen Menschen aus ganz Europa zusammen und bekommt damit einen guten Eindruck in die verschiedenen Kulturen in Europa.
Man lernt zum Beispiel, dass spanische Studenten zur Party grundsätzlich mindestens eine Stunde zu spät kommen, dafür aber dann am längsten und ausgelassensten feiern können.
Neben diesen Erkenntnissen verbessert man natürlich auch seine Sprachkenntnisse im Ausland ungemein.
Auch ich habe ein halbes Jahr in der französischsprachigen Schweiz studiert und möchte diese Erfahrung nicht missen.
Von den Sprachkenntnissen, die ich da erworben habe, profitiere ich jetzt täglich bei meiner Arbeit im Europäischen Parlament.

Falls Ihr Euch nicht für ein Studium, sondern für eine Ausbildung entscheiden solltet, steht Euch das Programm „Leonardo da Vinci“ zur Verfügung.
Dieses Förderprogramm unterstützt Euch bei Auslandsaufenthalten in der Ausbildung und soll helfen, die Qualifikation der Auszubildenden zu erhöhen.
Im Rahmen des Europäischen Freiwilligenprogramms können Jugendliche auch an sozialen Programmen im Ausland teilnehmen.
Das bedeutet, dass Jugendliche bis zu einem Jahr lang an gemeinnützigen Projekten im EU-Ausland mitarbeiten können.
Die Europäische Union übernimmt dabei die Versicherung, Reise- und Unterhaltskosten und zahlt darüber hinaus noch ein kleines Taschengeld.
Ihr seht, die Europäische Union tut viel für junge Menschen.
Doch auch Ihr müsst was tun.
Die EU lebt vom Mitmachen, vom Engagement der Menschen in Europa.
Ein erster und ganz einfacher Schritt dazu ist, wählen zu gehen.
Damit nehmt Ihr eines Eurer Grundrechte wahr und beteiligt Euch an der demokratischen Willensbildung.
Wählen gehen ist wichtig, egal ob zur Kommunalwahl, zur Landtagswahl zur Bundestagswahl oder zur Europawahl.
Und das ist der einfachste Weg, wie Ihr auch Europa mitbestimmen könnt.
Denn, wie ich am Anfang schon gesagt habe:
Europa ist Eure Zukunft.
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.