Rede vor dem Europaforum der Altenpflegemesse "Altenpflege+ProPflege 2007"

Sehr geehrte Damen und Herren.
Herzlichen Dank für die Einladung zum heutigen Europaforum.
Gerade Ihr täglicher Einsatz ist für unsere Gesellschaft von großer Bedeutung.
Deshalb freue ich mich, heute hier sein zu können, um Sie über die aktuellen Entwicklungen auf europäischer Ebene im Gesundheits- und Pflegebereich zu informieren.

Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen.
Seit Juni 2004 bin ich Mitglied des Europäischen Parlaments als jüngste Abgeordnete aus Bayern und zugleich umwelt- und gesundheitspolitische Sprecherin der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament.
Meine Arbeitsschwerpunkte ergeben sich aus meinen Ausschüssen:
Ich bin Mitglied in drei Ausschüssen:
Im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit,
im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und
im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.
Im Umwelt- und Gesundheitsausschuss diskutieren wir gesundheitspolitische Fragen.
Dieser Ausschuss ist beispielsweise bei der Erarbeitung des geplanten Gemeinschaftsrahmens für die Gesundheitsdienstleistungen involviert.
Aber auch in den anderen beiden Ausschüssen, in denen ich Mitglied bin, wird der Gesundheitsbereich behandelt.
Der Binnenmarktausschuss war federführend bei der Erarbeitung der Dienstleistungsrichtlinie, unter die ja anfangs auch die Gesundheits- und Pflegedienstleistungen fallen sollten.
Und mein dritter Ausschuss, der Sozialausschuss beschäftigt sich derzeit mit der Initiative zu den sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, unter die nach Sicht der Europäischen Kommission derzeit die Pflegedienstleistungen fallen.

Ihre heutige Veranstaltung ist am Puls der Zeit, da im Gesundheits- und Pflegesektor auf europäischer Ebene viel in Bewegung ist.
Vielleicht ist diese Veranstaltung allerdings auch noch etwas zu früh, da derzeit noch nicht absehbar ist, was die Kommission bezüglich der Gesundheits- und Pflegedienstleistungen vorschlägt und wie das Gesetzgebungsverfahren ausgeht.
Die Sachlage wird zusätzlich dadurch verkompliziert, dass die Pflege leider nicht als homogener Bereich in einem Gesetzesverfahren behandelt wird, sondern in mehreren unterschiedlichen Initiativen enthalten ist.
Zum Thema „Pflege“ gibt es mehrere Initiativen der Kommission.
Zum einen gibt es die Mitteilung der Europäischen Kommission vom April 2004, die sich mit der Modernisierung des Sozialschutzes und der Entwicklung einer zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege beschäftigt.
Darüber hinaus leitete die Europäische Kommission im vergangenen Jahr zwei Konsultationsverfahren zu den sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und zu den Gesundheitsdienstleistungen ein.
Ich werde später genauer auf die drei einzelnen Verfahren eingehen.
Diese parallel laufenden Prozesse, die Einfluss auf die Pflege in Europa haben, sind noch lange nicht abgeschlossen.
Und das macht es momentan auch so schwierig, vorhersagen zu können, wohin die Reise gehen wird.
Andererseits besteht gerade dadurch aber die Chance, noch in die Diskussion einzugreifen und die Weichen in die richtige Richtung zu stellen.
Denn die Kommissionsvorhaben bieten die konkrete Chance für Sie, meine Damen und Herren, durch die stärkere Liberalisierung und mehr Wettbewerb neue Märkte zu erschließen und zu expandieren.

Die Gesundheits- und Pflegedienste befinden sich in einem hochsensiblen Spannungsfeld zwischen den Nationalstaaten und der Europäischen Ebene.
Grundsätzlich ist die Ausgestaltung der Sozial- und Gesundheitssysteme Sache der Mitgliedstaaten.
Dennoch ist der Einfluss der Europäischen Union auf die Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen nicht von der Hand zu weisen.
Dass auch der „Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste“ diese Entwicklung erkannt hat, zeigt die Eröffnung eines Büros in Brüssel, wozu ich Ihnen, lieber Herr Meurer, herzlich gratulieren möchte.
Mit ihrer Präsenz vor Ort, in Brüssel, wo die Weichen gestellt werden, haben Sie die Möglichkeit, an der Gesetzgebung mitzuwirken.
Gerade im Fall der Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen hat sich die Kommission für einen sehr integrativen Ansatz entschieden, bei dem die verschiedenen Interessen bei der Meinungsbildung besonders berücksichtigt werden.

Die Europäische Union steht in diesem Bereich vor großen Herausforderungen.
Dabei hat sie sich ambitionierte Ziele gesteckt.
Der allgemeine Zugang aller Bürger der Europäischen Union zu den Gesundheitsdienstleistungen soll gesichert werden.
Weiterhin will die EU sicherstellen, dass sowohl eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung als auch die langfristige Finanzierbarkeit der Gesundheitssysteme gewährleistet wird.
Bereits die EU-Charta sieht das Grundrecht der Europäischen Bürger auf eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung vor.
Bei der Umsetzung dieser Ziele hat sich die EU viel vorgenommen.
Wir können aber auch schon auf einige Erfolge zurückblicken.
2004 wurde die Europäische Krankenversicherungskarte eingeführt.
Damit wird die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen bei einem vorübergehenden Aufenthalt im EU-Ausland erheblich erleichtert.
Diese Chipkarte ist neben dem Euro ein weiteres greifbares Stück Europa und hat damit hohe symbolische Bedeutung.

Im letzten Jahr wurde darüber hinaus ein eigenes Gesundheitsportal der EU eingerichtet. (http://ec.europa.eu/health-eu/index_de.htm)
Dieses Portal liefert Informationen zu einer Vielzahl von Gesundheitsfragen sowohl für den Bürger als auch für den Fachmann.
Weiterhin beinhaltet es über 40.000 Links zu vertrauenswürdigen Quellen.
Durch die Übersetzung in alle Amtssprachen der EU stehen damit weltweit 1,5 Milliarden Menschen detaillierte Informationen zu Gesundheitsfragen zur Verfügung.
Darin werden auch zahlreiche Informationen zum Bereich der Pflege, speziell der Langzeitpflege, geboten.
Der Gesundheits- und Pflegebereich ist für Europa von großer Bedeutung.
Die Lebenserwartung der Bürger in Europa ist dank des medizinischen Fortschritts in den letzten 50 Jahren deutlich angestiegen und wird auch in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen.
Nach einer Studie der Europäischen Kommission wird die Zahl der Menschen über 65 in der Europäischen Union bis 2050 um 65 % zunehmen.
Die Zahl der Über-80-Jährigen wird im gleichen Zeitraum von 14,8 Millionen auf 37,9 Millionen anwachsen.
Diese demographischen Veränderungen der Gesellschaft haben zur Folge, dass die Nachfrage nach Gesundheits- und Pflegedienstleistungen weiter steigen wird.
Als problematisch ist dabei anzusehen, dass die Erwerbsbevölkerung dabei überproportional zurückgeht.
Das stellt eine gewaltige Herausforderung und Belastung für die Sozialversicherungssysteme in Europa dar.

Markos Kyprianou, der in der Europäischen Kommission für den Gesundheitsbereich zuständig ist, sprach kürzlich bei einer Aussprache im Binnenmarktausschuss sogar von einer anstehenden „Revolution im Gesundheitswesen“.
Tief greifende Reformen in den europäischen Sozialsystemen sind unabdingbar.
Doch das wissen Sie aus Ihrer praktischen Erfahrung sicherlich besser als ich.
Aber diese Veränderung kann zugleich auch als Chance gesehen werden.
Denn mit der steigenden Nachfrage nach Pflege- und Gesundheitsdiensten wird in dieser Branche ein deutlicher Zuwachs erwartet.
Der Sektor der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege machte 2002 rund 10 % der Gesamtbeschäftigung in der Europäischen Union aus.
Allein während der Zeitspanne von 1997 bis 2002 wurden in den damals 15 EU-Staaten 1,7 Millionen neue Stellen in diesem Bereich geschaffen.
Damit steht dieser Sektor bei der Schaffung von Arbeitsplätzen an zweiter Stelle und schlägt den Weg ein, den Sie, lieber Herr Meurer, auch fordern, nämlich den eines Jobmotors in Europa.
Die Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege sind somit Schlüsselelemente der Strategie zur wirtschaftlichen und sozialen Modernisierung der EU, die im Jahr 2000 in Lissabon verabschiedet wurde.

Gesetzesvorhaben im Bereich Gesundheit und Pflege
Lassen Sie mich nun genauer auf die verschiedenen eingangs erwähnten Gesetzgebungsprozesse eingehen.
Rechtsprechung
Die Liberalisierung der Gesundheitspolitik der Europäischen Union ist innerhalb der letzten 10 Jahre durch mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofes vorangetrieben worden.
1998 reichten die zwei Luxemburger Kohll und Decker Klagen beim Europäischen Gerichtshof ein, da ihre nationale Krankenversicherung ihnen die Erstattung einer im EU-Ausland erworbenen Brille beziehungsweise eines Zahnersatzes verweigerte.
Der Europäische Gerichtshof wertete dies als unzulässige Beschränkung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs in Europa und gab den Klägern Recht.
Damit machte der Europäische Gerichtshof deutlich, dass die Gesundheitsdienstleistungen seiner Auffassung nach dem freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union unterliegen.
Die Weigerung der Krankenversicherungen, ohne vorher eingeholte Genehmigung im Ausland erbrachte Gesundheitsdienstleistungen zu erstatten, stellte somit eine Behinderung des Dienstleistungsverkehrs dar.
Der Europäische Gerichtshof legte fest, dass jeder Bürger der Europäischen Union berechtigt ist, ambulante Gesundheits-dienstleistungen ohne vorherige Genehmigung im EU-Ausland in Anspruch zu nehmen.
Die Kosten dieser Dienstleistungen müssen bis zur selben Höhe erstattet werden, wie im eigenen Land.
Einzig bei einer stationären Versorgung im Ausland musste der Patient nach diesen Urteilen eine Genehmigung einholen.

Ein weiteres bedeutendes Urteil war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache Watts vom 16. Mai 2006.
Damit wurde nochmals bekräftigt, dass die Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr auch auf die öffentlich finanzierten Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten anzuwenden sind.
Diese Urteile stärkten die Rechte der Patienten in Bezug auf die Inanspruchnahme und Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen im Ausland.
Und sie ebneten den Weg zu mehr Wettbewerb im Gesundheitssektor.

Umsetzung der EuGH-Urteile
Um die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu kodifizieren, integrierte die Europäische Kommission die Gesundheitsdienstleistungen in ihren Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt.
Das Europäische Parlament und der Europäische Rat sprachen sich jedoch dafür aus, diese Bereiche aus dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie herauszunehmen.
Dieser Ausschluss betraf sowohl die öffentlichen als auch die privaten Dienstleistungen.
Damit sollte den Besonderheiten der Gesundheitsdienstleistungen und der sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse besser Rechnung getragen werden.
Denn der Gesundheitssektor stellt einen atypischen Markt dar, der sich durch den Grundsatz der Solidarität und eine starke Ausrichtung auf das Gemeinwohl auszeichnet.
Letztlich konnten wir uns gemeinsam mit dem Rat erfolgreich durchsetzen.
Die sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und die Gesundheitsdienstleistungen wurden aus der Dienstleistungsrichtlinie herausgenommen.
Die Europäische Kommission verpflichtete sich daraufhin, für diese Bereiche eigene Vorschläge zu unterbreiten.
Diese Entscheidung ist zu begrüßen.
Bereits in der Dienstleistungsrichtlinie konnte Lohn- und Sozialdumping in Europa verhindert werden.
So wurde beispielsweise das gesamte Arbeits-, Tarif- und Sozialrecht aus der Harmonisierung herausgenommen.
Alle sektoralen Regelungen im Dienstleistungssektor, also auch die Initiativen zu den Gesundheitsdienstleistungen und die sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, müssen sich an diese bereits vereinbarten Regelungen halten.
Damit ist Lohn- und Sozialdumping auch im Bereich der Pflege- und Gesundheitsdienstleister nicht möglich.
Lassen Sie mich Ihnen jetzt einen kurzen Überblick über die unterschiedlichen Gesetzgebungsprozesse auf Europäischer Ebene zu den Pflegediensten geben.

Langzeitpflege
Bereits 2004 legte die Europäische Kommission eine Mitteilung vor, die die Modernisierung des Sozialschutzes für die Entwicklung einer hochwertigen, zugänglichen und zukunftsfähigen Gesundheits-versorgung und Langzeitpflege forderte.
Darin betonte die Kommission, dass die Mitgliedstaaten maßgeblich für die Ausgestaltung der Sozialschutzsysteme verantwortlich sind.
Deshalb wurde in diesem Bereich die Anwendung der offenen Koordinierungsmethode angeregt.
Diese Methode wird bevorzugt bei Themen angewendet, in denen die Kompetenzen der Europäischen Union nur sehr begrenzt sind.
Sie fördert im Wesentlichen die Zusammenarbeit, den Austausch und die Vereinbarung gemeinsamer Ziele der Mitgliedstaaten.
Auf diese Weise sollen die Mitgliedstaaten durch verstärkte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene bei ihren Reformen der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege unterstützt werden.
Einer der wichtigsten Punkte, die in der Mitteilung behandelt werden, ist die Sicherung der langfristigen Finanzierbarkeit der Gesundheits- und Pflegesysteme.
Ein Großteil der Gesundheits- und Pflegekosten für ältere Menschen wird von den öffentlichen Haushalten getragen, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten müssen.
Um zu gewährleisten, dass öffentliche Mittel langfristig in ausreichendem Maße für die Gesundheitssysteme zur Verfügung stehen, brauchen die Mitgliedstaaten stabile Haushalte.
Der beschleunigte Abbau der öffentlichen Verschuldung und die Steigerung der Erwerbsquoten sind wichtige Instrumente, die zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beitragen sollen.
Von größter Bedeutung ist dabei, dass die öffentliche Finanzierung der Gesundheitsversorgung und der Langzeitpflege vernünftig ausgestaltet wird.
Dabei geht es besonders um eine bessere Qualität und Wirksamkeit der öffentlichen Ausgaben.
Konkret fordert die Kommission, dass bei der Reform der nationalen Gesundheitssysteme besonderer Wert auf die Einführung einer effizienteren Verwaltung gelegt werden soll.
Dazu gehört die Entwicklung von Strukturen, die es ermöglichen, besser, schneller und flexibler zu arbeiten, um so die stellenweise sehr langen Wartezeiten für Behandlungen zu verkürzen.
Aber auch eine bessere Koordinierung zwischen den verschiedenen Leistungserbringern und eine verstärkte Verantwortlichkeit der Ärzte und Investoren für die Ressourcenverwaltung gehören zu den Empfehlungen der Kommission.
Um die begrenzten Finanzen effektiv zu nutzen, ist die Anwendung von Gesundheitsleistungen mit einem möglichst günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis anzustreben.
Um das zu erreichen, regt die Kommission in der Mitteilung eine verstärkte Bewertung des gesundheitlichen Nutzens von Medikamenten, Verfahren und Betreuungsarten an.
Gerade diese stärker wirtschaftliche Ausrichtung des Pflegebereichs kommt den privaten Pflegeanbietern entgegen und kann zum Wettbewerbsvorteil werden.

Darüber hinaus soll nach Ansicht der Kommission der Blick in Zukunft noch stärker auf die Prävention gerichtet werden.
Der entscheidende Vorteil daran ist, dass so der allgemeine Gesundheitszustand in der Gesellschaft verbessert wird und sich zugleich die späteren Aufwendungen für die Gesundheitsversorgung verringern.
Weiterhin soll der Ausbau der Infrastruktur, insbesondere der Krankenhäuser gefördert werden.
Hier regt die Kommission an, dass die Mitgliedstaaten die Ihnen zur Verfügung stehenden europäischen Mittel aus den Strukturfonds, vor allem aus dem EFRE-Fonds und den Kohäsionsfonds, verstärkt für diese Infrastruktur heranziehen.
Um die Qualität der Pflegedienste erhalten zu können, setzt die Kommission auf mehr Investitionen bei der Aus- und Weiterbildung des Pflegepersonals im Rahmen des Programms „Lebenslanges Lernen“.

Auch die grenzüberschreitende Mobilität in den Gesundheitsberufen ist weiter zu fördern.
Der in Deutschland ausgebildete Pfleger muss die Möglichkeit haben, auch in anderen Mitgliedstaaten arbeiten zu können.
Um das zu gewährleisten, besteht bereits die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen.
Zur Erreichung der in der Mitteilung postulierten Ziele sieht die Kommission die Schaffung einer „hochrangigen Gruppe für das Gesundheitswesen und die medizinische Versorgung“ vor.
Dieses Gremium soll maßgeblich für eine bessere Koordinierung zwischen den einzelstaatlichen Gesundheitssystemen sorgen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Europäische Kommission insbesondere für die langfristige Finanzierbarkeit einer hochwertigen Pflege- und Gesundheitsversorgung einsetzt.
Dabei setzt sie auf eine Steigerung der Effizienz und Wirtschaftlichkeit, um so die zur Verfügung stehenden Ressourcen besser auszunutzen.

Gesundheitsdienstleistungen
Kommen wir damit zu den Aktivitäten der Europäischen Union in Bezug auf die Gesundheitsdienstleistungen.
Im September letzten Jahres hatte die Europäische Kommission eine Konsultation zu Gemeinschaftsmaßnahmen im Gesundheitsbereich einberufen.
Auch zu den Sozialdienstleistungen wurde eine Initiative gestartet.
Aus meiner Sicht ist dabei als äußerst problematisch anzusehen, dass beide Bereiche getrennt und nicht in einer Initiative behandelt werden.
Darüber hinaus ist – wie bereits erwähnt – noch nicht zweifelsfrei geklärt, unter welches der beiden Vorhaben der Pflegebereich fallen wird.
Es bestehen noch immer keine klaren Definitionen der sozialen Dienstleistungen und der Gesundheitsdienstleistungen.
Und damit fehlt auch eine zweifelsfreie Abgrenzung zwischen den beiden Bereichen und eine klare Zuweisung der Pflege.
Das bringt einige Unsicherheiten mit sich.
Aus diesem Grund setze ich mich – wie auch die Bundesregierung – dafür ein, dass beide Bereiche gemeinsam behandelt werden und endlich geklärt wird, in welche Zuständigkeit die Pflege konkret fällt.
Lassen Sie mich zunächst den Stand bei den Gesundheitsdienstleistungen schildern.
Bei dem im September letzten Jahres eingeleiteten Konsultationsverfahren konnten alle interessierten und betroffenen Kreise – auch Sie, meine Damen und Herren – Stellung nehmen.
Die insgesamt 270 Stellungnahmen wurden auf der Homepage der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der Europäischen Kommission veröffentlicht und sind unter http://ec.europa.eu/health abrufbar.
Der Zweck dieser Konsultation war, herauszufinden, welche Themen Gegenstand von Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen sein sollten und welche Instrumente für die Umsetzung der verschiedenen Themen geeignet erscheinen.
In der Konsultation wird zwischen insgesamt vier Formen der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung und Patientenmobilität unterschieden.

Zunächst die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung beispielsweise durch telemetrische Dienstleistungen, Ferndiagnosen, Fernverschreibungen oder Laboruntersuchungen.
Dabei überschreitet quasi nur die Dienstleistung die Grenze.
Die zweite Form ist die grenzüberschreitende Inanspruchnahme einer Gesundheitsdienstleistung durch den Patienten.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Gesundheitsdienstleister seine Leistung im EU-Ausland erbringt.
In diesem Fall wird nochmals unterschieden, ob es sich um einen dauerhaften oder vorübergehenden Aufenthalt des Erbringers der Gesundheitsdienstleistung in einem anderen EU-Mitgliedstaat handelt.

Die Konsultation der Kommission wirft verschiedene Fragen auf.
Dazu gehören unter anderem folgende Fragestellungen:
Unter welchen Bedingungen muss die gesundheitliche Versorgung in einem anderen Mitgliedstaat genehmigt und bezahlt werden?
Welche Informationen soll der Patient über Behandlungen im Ausland erhalten?
Welche Gesundheitsbehörde ist für die Aufsicht über die grenzüberschreitende medizinische Behandlung zuständig?
Wer übernimmt die Haftung und den Schadensersatz für Schäden, die bei grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung verursacht werden?
Welche gemeinsamen Patientenrechte gibt es?
Zu diesen und weiteren Fragen konnten die Mitgliedstaaten, aber auch die Verbände, Organisationen und Privatpersonen bis zum 31. Januar ihre Meinung äußern.
Momentan wertet die Kommission die Stellungnahmen der verschiedenen Interessenvertreter aus und wird dann im Laufe dieses Jahres einen Vorschlag vorlegen.

Wir, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, warten mit Spannung auf diesen Gesetzesvorschlag.
Unser Ziel ist es, einen gesunden Ausgleich zwischen den Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite, den Arbeitgebern auf der anderen Seite sowie den Mitgliedstaaten zu schaffen.
Nach Auffassung der Kommission müssen die Gemeinschaftsmaßnahmen im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen auf zwei Prinzipien ruhen.
Das erste Prinzip ist, dass ein hohes Maß an Rechtssicherheit gewährt wird, indem die EuGH-Rechtsprechung kodifiziert wird.
Dieses ambitionierte Ziel der Kommission ist zu begrüßen.
Allerdings bleibt abzuwarten, inwiefern wirklich Ergebnisse erzielt werden.
Das zweite Ziel ist, dass die Mitgliedstaaten durch die Erarbeitung eines klaren gemeinschaftlichen Rechtsrahmens bei der Reform ihrer Gesundheitssysteme unterstützt werden sollen.
Prinzipiell bleibt die Ausgestaltung der Gesundheitssysteme jedoch Sache der Nationalstaaten.
Deshalb soll dieser Rechtsrahmen vor allem in den Bereichen geschaffen werden, in denen ein europäisches Vorgehen einen Mehrwert gegenüber einzelstaatlichen Maßnahmen im Gesundheitswesen erbringen kann.
Bereits heute sind die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten eng miteinander verknüpft.
Dies betonte auch Ulla Schmidt, die amtierende EU-Ratsvorsitzende, als sie im Umweltausschuss das 18-Monats-Programm der deutschen, portugiesischen und slowenischen Raspräsidentschaft vorstellte.

Darüber hinaus ist es ein Anliegen sowohl der Europäischen Kommission als auch der deutschen Ratspräsidentschaft, regionale Ungleichgewichte in der europäischen Gesundheitsversorgung auszugleichen.
Auf der anderen Seite sollen Synergieeffekte genutzt werden.
Deshalb sollen fachliche Kompetenzen gebündelt und ein Netzwerk von Referenzzentren aufgebaut werden.
Damit soll erreicht werden, dass die Arbeit herausragender Fachkräfte über die Grenzen hinaus bekannt und auch in anderen Mitgliedstaaten verfügbar wird.
Die Europäische Union will auf diese Weise den notwendigen grenzüberschreitenden Austausch von Fachwissen im Gesundheits- und Pflegebereich stärker fördern.
Der Austausch wichtiger Erkenntnisse in Forschung und Praxis kann die europäischen Gesundheitssysteme deutlich voranbringen.
Die Kommission steht vor der Aufgabe, einen Vorschlag zu unterbreiten, der die einzelstaatlichen Gesundheitspolitiken mit den europäischen Vorschriften in Einklang bringt.

Wir im Parlament werden uns für praktikable und realistische Lösungen einsetzen, die nicht zu Mehrkosten für Patienten und Anbieter führen.
Patienten müssen in Zukunft noch freier entscheiden können, wo sie sich behandeln lassen.
Durch die angestrebte größere Transparenz im europäischen Gesundheitswesen soll der Patient die Möglichkeit erhalten, die Vor- und Nachteile und die Kosten besser vergleichen zu können.
Die Mitgliedstaaten treten dabei in einen Wettbewerb um medizinische Technologien und Verfahren, aber auch um preisgünstige und qualitativ hochwertige Gesundheitsdienstleistungen.
Das setzt die verschiedenen Systeme gleichzeitig unter Druck, ihre Standards und Resultate zu verbessern.
Und gerade darin sehe ich eine konkrete Chance der deutschen Pflege- und Gesundheitsdienstleister.
Mit den bestehenden hohen deutschen Standards sind wir bereits gut aufgestellt.
Martin Zürcher, der nach der Kaffeepause reden wird, wird das Beispiel Spanien herausgreifen und aufzeigen, wo konkret die Chancen für deutsche Pflegedienstleister im Europäischen Binnenmarkt liegen.

Soziale Dienstleistungen
Kommen wir nun abschließend zum dritten Gesetzgebungsverfahren, der geplanten Initiative zu den sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse.
Dieser Bereich fällt in den Zuständigkeitsbereich von Vladimír Špidla, dem Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit.
Auch er startete im April letzten Jahres eine breit angelegte Konsultation mit den betroffenen Akteuren.
Auf dieser Grundlage will die Kommission prüfen, ob die Notwendigkeit einer eigenen Rechtssetzungsinitiative zu den Sozialdienstleistungen besteht.
Dieser Meinungsbildungsprozess soll bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein.
Da die Kommission somit bisher noch keinen Bericht vorgelegt hat, hat das Europäische Parlament bereits initiativ zu den Sozialdienstleistungen Stellung bezogen.
Mit diesem Bericht, der übrigens erst letzte Woche im Plenum angenommen wurde, votierten wir erneut dafür, dass die Regeln des Wettbewerbs mit den Grundsätzen des allgemeinen Interesses und des sozialen Zusammenhalts zu vereinbaren sind.
Weiterhin fordern wir die Europäische Kommission in diesem Bericht auf, eine klare und europaweit gültige Definition der sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vorzulegen.
Denn momentan versteht man in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten unter „Sozialdienstleistung“ oder unter „Daseinsvorsorge“ verschiedene Dinge.
Im Sinne einer gesteigerten Rechtssicherheit setzt sich das Europäische Parlament in diesem Punkt für mehr Klarheit ein.
Dabei sprach sich das Parlament aber ebenfalls dafür aus, die Unterschiede der Organisationsformen und Verwaltungssysteme der Sozialdienstleistungen in Europa anzuerkennen und zu respektieren.
Denn genau wie die Gesundheitsdienstleistungen fallen die sozialen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse weitestgehend in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten.
Die Europäische Union ist somit weitgehend auf eine Koordinierungsfunktion beschränkt.
Denn auch das bedeutet Deregulierung und Entbürokratisierung:
Dass die EU auf die Bereiche beschränkt bleibt, wo ein europäisches Handeln gegenüber dem Handeln des einzelnen Staates konkrete Vorteile bietet.
Schluß
Meine Damen und Herren, wie Sie sehen konnten, ist der Bereich der Pflegedienste auf europäischer Ebene momentan stark in Bewegung.
Ich setze mich im Europäischen Parlament dafür ein, dass diese Bewegung in die richtige Richtung geht und wir einen guten Ausgleich der verschiedenen Interessen in einem offeneren europäischen Wettbewerb erzielen.
Und ich möchte Sie noch einmal dazu ermuntern, sich mit Ihrem praxisnahen Fachwissen an den parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.