Boulevard Würzburg
Anja Weisgerber: Gerade mal 28 und schon im Europa-Parlament
Von Carolin Kreil
Anja Weisgerber (CSU) ist 28 Jahre alt, kommt aus dem Landkreis Schwein-furt und ist seit 100 Tagen Abgeordnete im Europaparla-ment. In zwei Sätzen: Warum ist Ihre Ar-beit im Europä-ischen Parlament wichtig? Etwa 70 Prozent der Gesetz- gebung in Deutschland wird in Brüssel und Straß-burg entschieden oder aber vorgeprägt da kann man auf der nation- alen Ebene nicht mehr viel ver-ändern. Zum Zwei-ten: Das Euro-päische Parlament ist die Stimme der Bürger und gleichberechtigter Gesetzgeb- ungspartner neben dem Rat. Deshalb ist es wichtig, hier zu sein und Unterfrankens Inter- essen zu vertreten. Ist das nicht tierisch stressig mit drei Büros in Brüssel, Straßburg und Schweinfurt? Ja schon, aber im Endeffekt ist es eine Frage der Koordi- nation und des Zeitmanagements. Das habe ich während meiner Schul- und Studienzeit gelernt, als ich Tennis als Leistungssport betrieben habe. Außerdem sind meine drei Büros übers Internet vernetzt.
Was macht eine Europaabgeordnete den ganzen Tag?
Wenn ich beginne, Ihnen meinen Tagesplan zu schildern, sprengt das wahrscheinlich das Gespräch. Fast 80 Stunden die Woche bin ich unterwegs als "Anwältin für Unterfranken". Bei 44 Sitzungswochen in Brüssel und Straßburg bleibt nur das Wochenende im Wahlkreis. Man ist ständig "on tour" – zwischen Sitzungen, Plenum, Gesprächen, Vorträgen, Reden, Interviews und mehr. Aber es macht irrsinnig viel Spaß. 1,3 Millionen Unterfranken vertreten zu dürfen, ist mein Traumjob.
Sie sind erst 28 Jahre alt. Fühlen Sie sich nicht manchmal überfordert? Nein – auch da kommt die Sportlerin durch. Ich habe mich schon auf dem Tennisplatz auf jedes neue Match gefreut – so geht es mir auch im Parlament. Politik ist immer Einzelkampf und Mannschaftssport zugleich. Und weil ich ein gutes Team habe, fürchte ich keine Herausforderung. Im Gegenteil, das spornt mich erst richtig an. Außerdem: Die Mischung macht´s – zwischen erfahrenen Kollegen wie dem Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Ingo Friedrich, und den Jungen wie mir. Auch die junge Generation muss im Eu-Parlament vertreten sein. Sie sind die Neue! Fühlen Sie sich da nicht oft allein? Im Gegenteil. Die CSU-Europagruppe ist ein gutes Team und mein Networking funktioniert. In Brüssel und Straßburg habe ich mir wichtige Kontakte erarbeitet und durch die internationale "Junge Gruppe", die ich mitinitiiert habe, kommen täglich neue hinzu. Vor kurzem hatten wir ein Abendessen mit dem neuen finnischen Erweiterungskommissar Olli Rehn – ganz locker und effektiv. Wen fragt die EU-Parlamentarierin Weisgerber um Rat? Ich hab keinen "Mentor", sondern geh einfach mit Fragen auf die Menschen zu. Damit fahre ich bisher ganz gut. Wenn´s wirklich mal um entscheidende Fragen geht, hilft oft der gute Rat von alten Hasen wie CSU-Landesgruppenchef Michael Glos, Europaminister Eberhard Sinner und CSU-Bezirksgeschäftsführer Gerhard Schmitt. Manchmal hilft aber auch das Plaudern mit der engsten Freundin – am besten bei einem guten, fränkischen Rotwein in einem netten Café.