Sechste Rede von Dr. Anja Weisgerber im Deutschen Bundestag

Rede im Deutschen Bundestag

Sehr geehrter Herr Präsident / sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Derzeit diskutieren wir jede Sitzungswoche über die Klimapolitik. Das ist auch gut so, denn wir befinden uns derzeit in einer entscheidenden Phase auf dem Weg zu einem verbindlichen internationalen Klimaabkommen in Paris Ende nächsten Jahres. In diesem Punkt sind wir uns alle einig. Nur über den richtigen Weg dahin gibt es unterschiedliche Vorstellungen in den verschiedenen Parteien. Und darüber müssen wir diskutieren und auch ringen.

Es freut mich, dass es dieses Mal in der Kernzeit stattfindet. Meine Damen und Herren, Klimapolitik durchzusetzen und dafür Unterstützer zu finden, die nicht nur in Sonntagsreden allgemeine Forderungen stellen, sondern auch ganz konkrete Maßnahmen mittragen, ist nicht einfach! Weil wir heute handeln und heute investieren müssen. Sowohl die negativen Folgen des Klimawandels, als auch die positiven Auswirkungen von Gegenmaßnahmen sind aber erst Jahre später spürbar.


Der neue Bericht der Globalen Kommission für Wirtschaft und Klima, unter Führung des ehemaligen Chefökonoms der Weltbank Nicholas Stern hat uns jetzt aktuell vor Augen geführt: Entscheidend ist, wie stark wir in den nächsten 10-15 Jahren in mehr Energieeffizienz und den Umbau zu klimaschonenderen Technologien investieren, Und zwar bei uns und in anderen Ländern der Welt.

Dabei müssen wir auch besonders darauf achten, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer, die aufstrebend sind und deren Wirtschaftswachstum steigen wird, ihre Wirtschaft von Beginn an mit klimaschonender Technologie aufbauen. Dies ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass die Ökonomen und Wissenschaftler Folgendes sagen: Wenn wir jetzt nicht handeln, werden die wirtschaftlichen Kosten des Klimawandels um ein vielfaches teurer sein.

Sie sagen auch ganz klar, dass das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen ist – vorausgesetzt wir handeln jetzt. Dass so etwas gelingen kann, zeigt das Thema Ozon. Eine solche Zusammenarbeit wie damals in den 80er bei der Eindämmung des FCKW brauchen wir jetzt auch bei der Reduzierung der Treibhausgase. Und das muss uns weltweit gelingen.

Wir brauchen den großen Wurf auf internationaler Ebene und dafür werden wir weiterhin mit Nachdruck kämpfen! Denn eines sage ich nochmal ganz klar: Natürlich müssen wir Deutsche eine Vorbildfunktion übernehmen und unsere Hausaufgaben machen – gerade arbeiten wir ja auch an einem Klimaaktionsprogramm.


Aber der Klimawandel ist eine weltweite Herausforderung. Alleine können wir das Klima nicht retten. Und genau da unterscheidet sich unsere Position von der der Grünen. Sie fordern ein Klimaschutzgesetz mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen auf nationaler Ebene. Wir bevorzugen, vor allem den europäischen und internationalen Ansatz zum Erfolg zu führen. Wir sind gegen Alleingänge in Deutschland, wie zum Beispiel mit dem von Ihnen vorgeschlagenen CO2-Mindestpreis.

Wir dürfen uns nicht auf die nationale Ebene zurückzuziehen. Das bringt uns nicht weiter im internationalen Kampf gegen den Klimawandel, sondern wirft uns zurück und benachteiligt uns im europäischen Wettbewerb und gefährdet Arbeitsplätze! Genau das wollen wir nicht!

Wir setzen auf ehrgeizige Zielsetzungen in Deutschland und Europa und Anreize, z. B. im Steuersystem und nicht auf Ordnungsrecht! Und deshalb gehe ich auch zunächst auf die Lage der Klimapolitik in Europa und der Welt ein. Die Klimapolitik ist eine politische Priorität unserer Bundeskanzlerin, für die sie sich persönlich engagiert. Und da zählen für mich vor allem die Maßnahmen, die die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung ergreifen!

Erstens: Bei der laufenden G7-Präsidentschaft ist der internationale Klimaschutz ein Kernthema. Das kann entscheidend sein für den Durchbruch auf internationaler Ebene!

Zweitens: Angela Merkel hat 750 Mio. Euro für den grünen Klimafonds zugesagt und sich damit an die Spitze gesetzt. Damit unterstützen wir Entwicklungs- und Schwellenländer beim Aufbau einer CO2-armen Wirtschaft. Es ist sehr erfreulich, dass andere Länder, unter anderem auch Mexiko (Südkorea) unserem Beispiel schon gefolgt sind. Auch begrüße ich die Ankündigung unseres Entwicklungsministers Gerd Müller in New York. Die KfW-Mittel in Entwicklungs- und Schwellenländer eher in Zukunftstechnologien und erneuerbare Energien stecken und nicht in Kohlekraftwerke.

Drittens: Deutschland setzt sich in Brüssel für ambitionierte und realistische Klimaziele sowie die bewährte Zieltrias ein. Und da sind wir jetzt wirklich in einer sehr entscheidenen Phase.

Wir bewegen uns politisch auf einem schmalen Grad. Wenn wir die Forderungen bezüglich der europäischen Klima- und Energieziele zu niedrig ansetzen, ist Europa nicht ambitioniert genug. Und wir brauchen ein gutes Ergebnis auf europäischer Ebene, damit wir in Lima und Paris mit Rückenwind verhandeln können. Verlangen wir zu viel, dann springen die anderen EU-Staaten ab und wir fahren mit leeren Händen nach Lima. Das wäre nicht gut. Und wir werden die Bundesregierung dabei unterstützen, dass es so weit nicht kommt, meine Damen und Herren.

Der Vorschlag der Grünen, dem Klima- und Energiepaket 2030 nicht zuzustimmen, sollten die Ziele nicht ambitioniert genug sein, kommt einem Genickbruch gleich. So gewinnt Deutschland nicht an Glaubwürdigkeit, sondern die EU blamiert sich vor der gesamten Staatengemeinschaft. Das können Sie doch auch nicht wollen!

Zentrales Element der europäischen Klimaschutzpolitik ist der Emissionshandel. Er ist das richtige Instrument, da er auf den Markt setzt und CO2 reduziert. Durch einen europäischen und internationalen Rahmen schaffen wir gleiche Wettbewerbsbedingungen. So können Klimaschutz und Wirtschaftswachstum Hand in Hand gehen – wie es auch der Stern-Report darlegt. Die EU ist der beste Beweis dafür.

Obwohl die Treibhausgase in der EU seit 1990 um 19 Prozent gesunken sind, ist das Bruttoinlandsprodukt im gleichen Zeitraum um 45 Prozent gestiegen. Das heißt steigendes Wirtschaftswachstum und trotzdem sinkenden CO2-Emissionen. Das geht – auch dank des Emissionshandels!

Und es ist sehr erfreulich, dass auch andere Staaten der Welt – wie z.B. einige große Regionen in China, Mexiko, USA und Indien, eine Art des Emissionshandels etabliert haben und auch auf dieses Instrument setzen. 

Der Emissionshandel ist das Instrument im Kampf gegen den Klimawandel! Deshalb setzen wir uns in Brüssel für eine nachhaltige Reform des Emissionshandels ein. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Marktstabilitätsreserve ist meiner Meinung ein guter Vorschlag, den wir allerdings im Detail noch diskutieren müssen.

Aber eines möchte ich ganz klar sagen: Ein Mindestpreis für CO2-Zertifikate ist meiner Ansicht nach nicht der Schlüssel zu einem funktionierenden Emissionshandel. Und: Nationale Auflagen zur Einsparung von CO2, wie die von den Grünen immer wieder gebetsmühlenartig geforderte CO2-Steuer für die Energiewirtschaft bringt dem Klimaschutz gar nichts. Und ich sage Ihnen auch warum. Erreichen wir unsere Klimaziele durch rein nationale Maßnahmen, benötigen wir dafür keine CO2-Zertifikate. Denn für jede Tonne CO2, die man in Deutschland wegen einer Steuer weniger emittiert, wird ein Zertifikat weniger verbraucht. Die Folge: Die Zertifikatspreise sinken weiter und Investitionen in klimafreundliche Technologien lohnen sich noch weniger. Die Emissionen werden also nur verlagert: Von Deutschland nach Polen, nach Italien oder nach Frankreich. Dem Klima ist damit unter dem Strich nicht geholfen und das können doch auch Sie nicht wollen, meine Damen und Herren. 

Dennoch leisten wir mit dem Klimaaktionsprogramm, das im November verabschiedet werden soll, auch auf nationaler Ebene einen wichtigen Beitrag und machen unsere Hausaufgaben hier in Deutschland. Um die noch vorhandene Lücke zur Erfüllung unseres eigenen Klimaziels zu schließen, müssen wir vor allem auf die Steigerung der Energieeffizienz setzen. Hier könnten Ausschreibungsmodelle, wie sie es in der Schweiz schon etabliert sind, weiterhelfen.

 Ein nach wie vor sehr großes Einsparpotenzial liegt im Gebäudebereich. Dieses Einsparpotential müssen wir nutzen. Mit Förderprogrammen allein – so wichtig sie sind – wird es uns nicht gelingen, die Sanierungsquote zu verdoppeln.

Die Deutsche Energieagentur hat berechnet, dass wir mit der steuerlichen Absetzbarkeit von Gebäudesanierungsmaßnahmen allein in Privathaushalten die Hälfte der Lücke zur Erreichung unserer Klimaziele schließen könnten. Die Hälfte – das ist schon die halbe Miete, meine Damen und Herren. Deshalb fordere ich heute – wie bereits in vorangegangen Klima- und Haushaltsdebatten: Es ist unumgänglich, dass wir in Deutschland das Thema steuerliche Absetzbarkeit von Investitionen bei der Gebäudesanierung angehen! Vor dem Hintergrund der Debatte um das Klimaaktionsprogramm ist jetzt genau der richtige Moment dafür!

Ich möchte hier an alle Kolleginnen und Kollegen und die Bundesländer appellieren: Lassen Sie uns hier endlich parteiübergreifend an einem Strang ziehen, damit die steuerliche Absetzbarkeit kommt, denn das muss der Weg sein: Ein funktionierender Emissionshandel und National wirkungsvolle steuerliche Anreize statt ordnungsrechtlichem Klein-Klein. Denn ein altes indianische Sprichwort sagt: „Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern nur von unseren Kindern geliehen.“ Das müssen wir immer in Hinterkopf behalten. Vielen Dank.