Arbeitszeitrichtlinie: Wir müssen den Interessen aller Betroffenen gerecht werden

Brüssel. Die Auseinandersetzungen um die Revision der europäischen Arbeitszeitrichtlinie gehen in die entscheidende Runde. In Kürze wird das Europäische Parlament seinen abschließenden Bericht zu diesem sehr kontrovers diskutierten Projekt verabschieden.
„Wir müssen die Chance nutzen, jetzt eine Regelung zu finden, die allen betroffenen Gruppierungen gerecht wird,“ so Dr. Anja Weisgerber, MdEP, die als sozialpolitische Sprecherin der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament mit dieser Richtlinie beschäftigt ist. Hintergrund der Auseinandersetzungen ist die Umsetzung mehrer EuGH-Urteile, nach denen Bereitschaftsdienstzeit als Arbeitszeit einzustufen ist. Die Europäische Kommission will mit ihrem Revisionsentwurf die Urteile abmildern, Interessenverbände und das linke Parteienspektrum die Urteile eins zu eins umsetzen. „Kein Mensch weiß, woher in Deutschland die 27.000 neuen Ärzte kommen sollen, die gebraucht würden, wenn kein Kompromiss gefunden wird. Angesichts leerer Kassen bei den Kommunen und anhaltend hohen Gesundheitskosten muss im Sinne eines jeden Patienten ein Mittelweg gefunden werden,“ fordert Weisgerber. Deshalb schlägt sie nun einen Kompromiss vor, der „die Interessenlage aller betroffenen Gruppen berücksichtigt.“ In einer umfassenden Briefaktion hat sich die unterfränkische Europaabgeordnete in den vergangenen Wochen über die Wünsche, Ängste und Anregungen von Ärzten, Krankenhäusern, Patienten und Kommunen informiert.
Ergebnis dieser intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema ist ein Änderungsantrag für das Europäische Parlament, „der von vielen Beteiligten – so z.B. Vertretern der Gewerkschaft ver.di und der Ärztevereinigung Marburger Bund – begrüßt wird,“ hofft Weisgerber auf eine Einigung im Interesse der Betroffenen.
Der von Weisgerber entwickelte Kompromiss greift den Vorschlag der Europäischen Kommission auf, die Bereitschaftsdienstzeit in eine aktive und eine inaktive Zeit zu unterteilen. Als Arbeitszeit solle nur diejenige Zeit zählen, die tatsächlich gearbeitet wurde. Diesen Vorschlag begrüßt die Sozialpolitikerin und fordert, dass die Ausgestaltung dieser Unterteilung entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip den Mitgliedsstaaten vorbehalten bleibe.
Um bürokratischen Aufwand bei der Zeiterfassung zu vermeiden, schlägt Weisgerber ein Pauschalisierungsmodell vor, das an der durchschnittlichen Arbeitsbelastung orientiert sein soll. Solche Modelle würden bereits in Krankenhäusern eingesetzt und hätten sich bewährt, so die Abgeordnete.
„Dem verminderten Erholungswert der inaktiven Zeit kann dadurch Rechnung getragen werden, dass zu der aktiven Zeit ein individueller Aufschlag hinzugerechnet wird,“ schlägt Unterfrankens einzige Abgeordnete im Europäischen Parlament vor. Die Tarifparteien und Sozialpartner könnten sich über diesen Aufschlag einigen. „Ich bin überzeugt, dass mein Vorschlag der Mittelweg sein könnte, der letztendlich alle Betroffenen zufrieden stellt,“ fordert Weisgerber die Beteiligten zu mehr Kompromissfähigkeit auf.