90. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber zur Sicheren, bezahlbaren, klimafreundlichen Wärmeversorgung

Rede im Deutschen Bundestag, 12. Mai 2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

In Wahlkreiswochen und an den Wochenenden bin ich viel in meinem Wahlkreis in der Heimat unterwegs und spreche mit den Menschen. Sätze wie die folgenden habe ich in den letzten Wochen mehrfach gehört: Meine Eltern, beide Rentner, können sich keine neue Heizung leisten. Ich habe Angst, dass sie ihr Haus nicht mehr halten können.

 

Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sind zutiefst verunsichert. Sie machen sich Sorgen.

 

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

 

Aber Angst, werte Kolleginnen und Kollegen von den Ampelfraktionen, war noch nie ein guter Ratgeber.

 

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Ihr Geschäftsmodell!)

 

Das gilt auch für die Klimapolitik.

 

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Timon Gremmels (SPD): Sagen Sie das mal Markus Söder! Der macht damit ganze Wahlkämpfe! Ganze Wahlkämpfe macht der mit Angst!)

 

Anstatt die Menschen mitzunehmen, stoßen Sie die Menschen vor den Kopf.

 

(Dr. Rainer Kraft (AfD): Klimahysteriker!)

 

Wenn wir die Akzeptanz der Menschen für die Klimaschutzmaßnahmen verlieren, erweisen wir dem Klimaschutz einen Bärendienst. Das können Sie, das können wir doch nicht wollen.

 

(Beifall bei der CDU/CSU)

 

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Weisgerber, möchten Sie eine Frage des Kollegen Banaszak zulassen?

 

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):

Ja, sehr gerne.

 

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bitte schön.

 

(Dr. Rainer Kraft (AfD): Der hat auch nie was gearbeitet!)

 

Felix Banaszak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

 

Vielen Dank für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen, Frau Kollegin. - Ich stimme mit Ihnen vollkommen überein, dass Angst eine schlechte Grundlage für eine Debatte ist, insbesondere dann, wenn es um eine tatsächlich relevante Frage geht, nämlich darum, wie es gelingen kann, sichere Energieversorgung auch im Wärmebereich mit Bezahlbarkeit zusammenzubringen.

Wir haben in den letzten Wochen erlebt, dass insbesondere Mitglieder Ihrer Partei und Ihrer Fraktion, zuletzt der Kollege Czaja, Ihr Generalsekretär, hier in der Aktuellen Stunde am Mittwoch - diese war eigentlich zu einem ganz anderen Thema -, mehrere Falschbehauptungen über das verbreitet haben, was die Ampel eigentlich in diesem Gesetzentwurf plant.

 

(Mario Czaja (CDU/CSU): Was war denn falsch?)

 

In den vergangenen Wochen haben wir erlebt, dass immer wieder falsche Behauptungen aufgestellt worden sind, beispielsweise es gebe eine Pflicht, funktionierende Heizungen morgen auszuwechseln.

 

Deswegen ist meine Frage an Sie: Wenn Sie der Auffassung sind, dass Angst ein schlechter Ratgeber in dieser Debatte ist, ist damit zu rechnen, dass Sie aufhören, mit falschen Behauptungen, mit Unterstellungen und mit Tatsachenverdrehungen Angst zu schüren in der Gesellschaft? Und ist damit zu rechnen, dass Sie auch aus der Opposition heraus die Verantwortung wahrnehmen, die selbst in der Regierung gerade nicht alle wahrnehmen?

 

Vielen Dank.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

 

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):

 

Eines können Sie sich sehr sicher sein: dass wir die Verantwortung, die wir als Oppositionspartei von den Menschen bekommen haben, sehr ernst nehmen. Als Opposition ist es unsere Aufgabe, gegen schlechte Gesetzentwürfe vorzugehen. Dieser Gesetzentwurf enthält Verbote, die dazu führen, dass zum Beispiel 30 Jahre alte Heizungen ausgetauscht werden müssen.

 

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Timon Gremmels (SPD): Nein! Falsche Behauptung!)

 

Das gilt auch für den Bestand. Es gibt Regelungen, die sich auch auf den Bestand beziehen.

 

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das waren Ihre 30 Jahre!)

 

Zum Beispiel zum Thema Holz heißt es in den FAQs des Bundesbauministeriums:

 

Diese

 

- also die Biomasseheizung -

 

ist angesichts der begrenzten Verfügbarkeit von Biomasse im Neubau nicht zugelassen, da bei Neubauten in der Regel andere Möglichkeiten ohne Weiteres planbar und realisierbar sind.

 

Wenn Sie uns Falschaussagen vorwerfen, dann möchte ich daran erinnern, dass die Umweltministerin bei der Regierungsbefragung gesagt hat, dass es kein Verbot bezüglich Biomasseheizungen im Neubau gibt. Die zitierte Aussage des Bundesbauministeriums besagt etwas anderes.

 

(Bernhard Herrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ein Luxusproblem!)

 

Das Problem ist doch, dass bei Ihren Vorschlägen komplettes Chaos herrscht: komplettes Chaos bezüglich der eigentlichen Inhalte der Regelungen, komplettes Chaos auch bezüglich der Förderung. Das werden wir - darauf können Sie sich verlassen; denn das ist unsere Verantwortung - auch weiterhin immer wieder ansprechen.

 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

 

Jetzt zu unserem Konzept. Auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität, die wir im Jahr 2045 erreichen wollen - das haben wir uns auch in der Großen Koalition vorgenommen -, spielt klimafreundliches Heizen natürlich eine Rolle. Ja, das ist keine Frage. Aber wieder fällt Ihnen nichts Kreativeres ein als Ordnungsrecht, als Verbote, Verbote und nochmals Verbote ohne Technologieoffenheit.

 

Unser Weg ist ein anderer. Mit der moderaten - ich betone: moderaten - CO2-Bepreisung haben wir die Grundlage dafür geschaffen, dass der Einbau alternativer Heizungsformen attraktiver wird. Gleichzeitig sah das Konzept in unserer Regierungszeit vor, dass wir mit den Einnahmen den Umstieg auf klimafreundliche Technologien fördern, auf Technologien zum klimafreundlichen Heizen, aber auch in anderen Bereichen, zum Beispiel für Elektroautos, für Hybridautos oder energieeffizientes Bauen und Sanieren. Da bestand bei uns Klarheit bei der Förderung, die auch deutlich höher war als die in Ihrem Vorschlag, der jetzt zur Rede steht.

 

Die Grünen wollen jetzt mehr Förderung. Auch da herrscht totale Unklarheit. Gerade sagte der Kollege von der FDP: Sie wollen mehr Förderung. Gleichzeitig wurde gesagt: Die FDP ist noch gegen die höhere Förderung.

 

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Weisgerber, es gäbe noch eine Zwischenfrage von Herrn Kühnert. Möchten Sie auch die zulassen?

 

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):

Ja, sehr gerne.

 

(Dr. Götz Frömming (AfD): Sie fühlen sich richtig herausgefordert!)

 

Kevin Kühnert (SPD):

 

Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen. - Sie haben eben über den CO2-Preis gesprochen, und ich möchte Ihnen diese Frage jetzt gerne direkt stellen: Sie sprechen von einer moderaten CO2-Bepreisung und davon, dass diese dazu beitragen soll, dass die Leute den Umstieg am Ende mitgehen. Die CO2-Bepreisungsschritte für die nächsten drei Jahre sind vorgezeichnet.

 

(Andreas Jung (CDU/CSU): Ausgesetzt! Die wurde ausgesetzt!)

 

Auch Sie wissen, wie die sich entwickeln werden. Danach findet die Preisbildung am Markt statt.

 

Was denken Sie? Was berechnen Sie für Ihr Konzept, von dem Sie gerade sprachen? Was für eine CO2-Preisentwicklung wird notwendig sein, um für einen Eckhaushalt, sei als Miethaushalt oder als Eigentümer eines Einfamilienhauses in Deutschland, zu ermöglichen, aus einem Preisanreiz heraus den Umstieg zu wählen? Welche Preisgestaltung wird dafür notwendig sein?

 

Und haben Sie eigentlich ein Rückzahlungskonzept in der Tasche,

 

(Dr. Götz Frömming (AfD): Was für eine Frage!)

 

womit der CO2-Preisausgleich erfolgen soll? Denn Sie werfen uns ja vor, dass wir Ziele setzen, bevor die Förderung klar ist. Dann kann man ja nicht ernsthaft mit einer CO2-Bepreisung und einem Rückzahlungsmechanismus argumentieren, der auch noch gar nicht fertig und von irgendwem vorgelegt worden ist.

 

(Andreas Jung (CDU/CSU): Die SPD hat ja ein Klimageld versprochen, aber nicht umgesetzt! Wo ist denn das Klimageld?)

 

Also, wie soll das jetzt eigentlich funktionieren?

 

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):

 

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass die CO2-Bepreisung, der Emissionshandel, das Instrumente ist, das wirklich effizient und erfolgreich funktioniert. Das sehen wir in den Bereichen Industrie und Energie. Ich war im Europäischen Parlament daran beteiligt, das auf den Weg zu bringen. Genau deswegen ist es richtig, die CO2-Bepreisung auch auf die Bereiche Wärme und Verkehr auszuweiten. Wir haben es auf Bundesebene vorgeschlagen; wir haben es auch - Kollege Jung hat es gesagt - im Europäischen Parlament durchgesetzt. Wir werden es deshalb mit diesem Instrumet schaffen, die CO2-Emissionen zu reduzieren und zwar in ganz Europa und nicht nur in Deutschland.

 

Sie wollten zum Beispiel eine CO2-Steuer einführen; aber das wäre nur was Nationales gewesen; da wären wir europäisch und international gar nicht vorangekommen,

 

(Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie hoch soll sie denn sein am Ende?)

 

in ganz Europa auch im Bereich Wärme den Umstieg zu aktivieren.

 

(Kevin Kühnert (SPD): Aber wie hoch?)

 

Wir haben schon jetzt bei den kleinen Preiserhöhungen im Bereich der Ölheizungen gemerkt, dass sich die Menschen auf den Weg gemacht haben. Seit der Einführung der CO2-Bepreisung wurde in den Medien kommuniziert: Ja, es wird jetzt etwas teurer, aber - und das ist das Entscheidende, Herr Kühnert - mit den Einnahmen wird auch der Umstieg auf klimafreundliche Technologien gefördert.

 

Was haben Sie gemacht? Sie haben erst mal alles abgeschafft,

 

(Timon Gremmels (SPD): Stimmt doch gar nicht! - Zuruf der Abg. Dr. Nina Scheer (SPD))

 

zum Beispiel bei den KfW-55-Häusern. Es gab ganz lange Unklarheit bezüglich energieeffizienten Bauens im Neubau und im Bestand.

 

(Kevin Kühnert (SPD): Aber wie hoch denn nun, Frau Dr. Weisgerber?)

 

Für die Häuslebauer gab es ganz lange Unsicherheit.

 

Jetzt sind die Preiserhöhungen moderat vorgezeichnet; jetzt haben wir auch auf europäischer Ebene einen Emissionshandel auf den Weg gebracht. Wir sind der Meinung, dass es Ihre Aufgabe ist, jetzt auch dafür zu sorgen, die beiden Systeme kohärent zu gestalten, aufeinander abzustimmen und dann die Preisentwicklung noch mal zu überprüfen.

 

In dem Brennstoffemissionshandelsgesetz, das ich mitverhandeln durfte, haben wir übrigens eine Revisionsklausel für das Jahr 2025 eingeplant,

 

(Andreas Audretsch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie eine Höhe?)

 

um dann zu überprüfen, ob die Preise zu stark ansteigen.

 

(Jens Spahn (CDU/CSU): So ist es! Genau so!)

 

Auf EU-Ebene gibt es auch dafür eine Antwort: Wenn sie zu stark ansteigen, müssen wieder Zertifikate ins System gegeben werden, damit der Preis nicht explodiert.

 

(Kevin Kühnert (SPD): Ihr wollt bis 2045 klimaneutral werden, oder?)

 

Das ist unser Konzept; das ist stimmig. Das ist ein marktwirtschaftlicher Ansatz. Mit den Einnahmen finanzieren wir die Förderung.

 

(Zuruf der Abg. Dr. Nina Scheer (SPD))

 

Auch da bleiben Sie Antworten schuldig.

 

Noch ein Letztes zum Klimageld.

 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Wo ist denn das Klimageld?)

 

Interessant ist, dass der Vorschlag dazu immer wieder, auch im Wahlkampf, von Ihnen vorgebracht wurde. Aber warum ist es jetzt, seit eineinhalb Jahren Ampelregierung, immer noch nicht eingeführt?

 

(Beifall bei der CDU/CSU - Nina Warken (CDU/CSU): Ganz genau!)

 

Weil es vielleicht nicht funktioniert.

 

(Kevin Kühnert (SPD): Aber Sie setzen doch darauf! Das steht doch da drin!)

Weil es schlecht möglich ist.

 

(Kevin Kühnert (SPD)): Aber das haben Sie ja reingeschrieben in Ihr Konzept!)

 

Weil wir nicht von jedem Bürger in Deutschland eine Kontonummer haben. Deswegen ist der richtige Ansatz, die Einnahmen für die Förderung zu verwenden, und zwar nicht nur für bestimmte Gruppen, sondern auch für diejenigen, die vielleicht keine Hartz-IV-Empfänger sind, aber Rentner,

 

(Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kein Konzept! Das kommt immer auf das Gleiche heraus!)

 

und nicht die Mittel für den Umbau haben. Dafür verwenden wir die Einnahmen und nicht für ein Klimageld, das nicht funktioniert. Sie haben es immer noch nicht geschafft, es einzuführen; deswegen wäre ich wesentlich weniger selbstbewusst, Herr Kühnert.

 

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Nina Scheer (SPD): Keine Antwort auf die Frage! - Kevin Kühnert (SPD): Nichts Genaues weiß man nicht! - Andreas Rimkus (SPD): Wieder mal keine Antwort!)

 

- Das war eine sehr konkrete Antwort.

 

(Daniel Baldy (SPD): Da war ja mein Bioabi konkreter! - Heiterkeit bei der SPD)

 

Was wir jetzt brauchen, ist Begeisterung für den Umstieg, Begeisterung für die Technologien.

 

(Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Büttenrede!)

 

Das, was die Ampel macht, bewirkt, dass es bis jetzt noch keine Klarheit bezüglich der Förderung gibt. Man fördert vor allem die Sozialhilfeempfänger stärker; man macht eine Ausnahme vom Verbot nur für über 80-Jährige. Gleichzeitig drohen bei Verstößen aber Strafen von bis zu 50 000 Euro. Wer das am Ende kontrolliert, ist noch gar nicht klar.

 

Die FDP behauptet, man setze auf Technologieoffenheit. Aber Experten sagen: Das wird so nicht umgesetzt.

 

(Zurufe der Abg. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Otto Fricke (FDP))

 

Die Bürgerinnen und Bürger können nach Ihrem derzeitigen Vorschlag nicht mehr aus einer Bandbreite von Heizungstechnologien, die für sie passen könnten, auswählen. Das, was von der Ampelregierung hier vorgeschlagen wird, ist Klimaplanwirtschaft und Bevormundung der Menschen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

 

(Zuruf der Abg. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

 

Noch vor Kurzem war von „Energiesouveränität“ die Rede; das war das ganz wichtige Wort. Nun hat die Ampel auch den Biomasse- und Holzheizungen den Kampf angesagt.

 

(Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch Schwachsinn, Frau Weisgerber!)

 

Wir sehen hier ein faktisches Verbot für den Neubau.

 

Echter Klimaschutz sieht anders aus. Dafür helfen vor allem Begeisterung, Innovation, Technologieoffenheit sowie Förderung und Anreize. Es geht darum, die Menschen mitzunehmen.

 

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

 

Aber das haben Sie einfach noch nicht kapiert. Was wir jetzt brauchen, ist keine Pflicht zum Heizungsaustausch, sondern ein Austausch der Regierung. Wir sind bereit.

 

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD - Kevin Kühnert (SPD): Der Erfinder der Austauschpflicht war Peter Altmaier mit den Ölheizungen! Die Rede war nicht so gut, aber die Pointe war Klasse! - Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)