96. Plenarrede von Dr. Anja Weisgerber zum Bundes-Klimaanpassungsgesetz

Rede im Deutschen Bundestag, 19. Oktober 2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

 

Was mir bei den Weltklimakonferenzen immer am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben ist, waren die Gespräche mit den Klimazeugen, mit den Menschen, die mir mit Tränen in den Augen erzählt haben, dass ihre Heimat wegen des Klimawandels sukzessive verschwindet, weil der Meeresspiegel steigt und sie ihre Dörfer an der Küste verlassen und ins Hinterland ziehen müssen.

 

Nun ist Deutschland keine Insel im Indischen Ozean. Aber auch bei uns sind die Folgen des Klimawandels zu spüren. Der Klimawandel ist sozusagen in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Am schmerzlichsten haben es die Menschen vor zwei Jahren im Ahrtal zu spüren bekommen, als sie ihr Hab und Gut verloren haben oder als sogar Menschen starben. Deshalb müssen wir dem Klimawandel mit Nachdruck entgegenwirken, keine Frage, und das Treibhausgas CO2 reduzieren.

 

Wir müssen aber auch die Anpassung an den Klimawandel vorantreiben, meine Damen und Herren.

 

(Beifall bei der CDU/CSU)

 

Vor diesem Hintergrund ist es mir, ehrlich gesagt, unbegreiflich,

 

(Leon Eckert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): … dass die Union das jahrelang nicht gemacht hat.)

 

dass die Ampelregierung mit grüner Beteiligung das Klimaschutzgesetz aufweicht und dass das Klimaanpassungsgesetz, mit dem wir ganz konkret auch Menschenleben retten können, so lange auf sich warten ließ. Das ist doch verkehrte Welt, meine Damen und Herren.

 

(Beifall bei der CDU/CSU - Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und vorher? Warum haben ihr es denn nicht gemacht, liebe Kollegin? Warum habt ihr nichts gemacht? Ihr habt es so lange liegen lassen, so lange einfach nichts gemacht!)

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Ampelfraktionen, ich freue mich, dass unsere Idee eines Klimaanpassungsgesetzes jetzt von Ihnen aufgegriffen wurde. Wir hatten nämlich bereits 2021 ein Klimaanpassungsgesetz in unserem gemeinsamen Regierungsprogramm von CDU und CSU vorgeschlagen. Sie haben es schon vor zwei Jahren angekündigt und sind auf den Zug aufgesprungen.

 

(Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

 

Jetzt legen Sie endlich diesen Gesetzentwurf vor. Das ist grundsätzlich gut so. Aber jetzt kommt es natürlich auf die Inhalte dieses Gesetzes an, und da besteht eben noch Nachbesserungsbedarf.

Ihr Gesetzentwurf versteht sich als ein Rahmengesetz.

 

(Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)

 

Die eigentliche „vorsorgende Klimaanpassungsstrategie“, wie Sie sie nennen, mit den konkreten Maßnahmen soll aber erst bis Ende September 2025 erarbeitet und umgesetzt werden.

 

(Zuruf der Abg. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

 

Das ist das Ende der Legislaturperiode, in der Sie als selbsternannte Klimaregierung große Sprünge beim Klimaschutz machen wollten.

 

(Zuruf der Abg. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

 

Die Maßnahmenvorschläge zur Klimaanpassung kommen also wahrscheinlich nicht vor der Wahl.

 

(Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 16 Jahre Zeit gehabt, um irgendwas zu machen! Aber nicht so viel, nicht so viel habt ihr gemacht!)

 

Das Klimaschutzgesetz, das wir auf den Weg gebracht haben - zum Thema „16 Jahre“ - mit konkreten Sektorzielen,

 

(Zuruf der Abg. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

 

wird von Ihnen jetzt aufgeweicht.

 

(Jens Spahn (CDU/CSU), an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Wer macht denn seit zwei Jahren Rechtsbruch? Zwei Jahre!)

 

Wir haben damals jedes Jahr die Sofortprogramme vorgelegt. Sie machen das nicht. Und nun kommt der Oberhammer: Jetzt verändern Sie das Klimaschutzgesetz auch noch so, dass Sie wahrscheinlich in dieser Legislaturperiode überhaupt keine Sofortprogramme mehr vorlegen müssen.

 

(Beifall bei der CDU/CSU - Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ihr denkt halt nur in Legislaturperioden, nicht für die Menschen! Wir denken für die Menschen, nicht für die Politiker!)

 

Wenn wir das gemacht hätten, dann wären Tausende von Menschen auf der Straße. Und jetzt? Sie müssen sich wirklich diesen Vorwurf gefallen lassen. Als selbsternannte Klimaregierung,

 

(Zuruf der Abg. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

 

die das Thema signifikant vorantreiben will, sind Sie als Tiger gestartet, aber als Bettvorleger gelandet, meine Damen und Herren.

 

(Beifall bei der CDU/CSU)

 

Um es gleich vorwegzunehmen: In unserer Regierungszeit

 

(Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das glauben Sie selber nicht, Frau Kollegin!)

 

wurde die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel, die DAS, verabschiedet, Herr Ebner. Darin enthalten sind konkrete Beispiele für mögliche Anpassungsmaßnahmen in den verschiedenen Handlungsfeldern. Auch haben wir 2019 das bis dahin umfangreichste Klimaschutzpaket mit dem Klimaschutzgesetz,

 

(Leon Eckert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach der Rede bin ja mal auf die Landesregierung gespannt in Bayern!)

 

mit der CO2-Bepreisung, mit über 300 Seiten mit Maßnahmen auf den Weg gebracht. Wir haben das Klimaziel 2020 wegen ebendieser Maßnahmen

 

(Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wegen Corona haben Sie es erreicht!)

 

und nicht nur wegen Corona erreicht. Das ist doch die Wahrheit.

 

(Beifall bei der CDU/CSU)

 

Nun zu Ihrem Rahmengesetz. Es ist richtig, die Länder und Kommunen bei der Klimaanpassung miteinzubinden;

 

(Zuruf der Abg. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

 

denn sie haben eine Schlüsselrolle bei der Erarbeitung von Hitzeaktionsplänen, bei der Vermeidung von Hitzeinseln, bei der Errichtung von Schwammstädten. Damit sich die Länder aber auch auf die Klimaanpassungsmaßnahmen konzentrieren können, sollten die Berichtspflichten auf das zwingend notwendige Mindestmaß heruntergefahren werden.

 

(Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt wollt ihr es wieder ausdünnen! Also dann doch nicht, ne? Doch lieber keine Klimaanpassung!)

 

Das dadurch freiwerdende Geld könnte in konkrete Klimaanpassungsmaßnahmen investiert werden. Stichwort „Geld“:

 

(Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mein Gott!)

 

Wir sind auch gespannt, wie Sie die Finanzierung der Mammutaufgabe

 

(Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Macht was; aber tut nichts!“, das ist euer Motto!)

 

Klimaanpassung angehen werden und wie Ihre Lösungen hier ganz konkret aussehen.

 

Bei der Sachverständigenanhörung am 8. November im Umweltausschuss werden sicher auch noch einige weitere wichtige und interessante Aspekte erläutert. Ich hoffe sehr, dass die Ampelfraktionen dann auch bereit sind, unsere Verbesserungsvorschläge anzunehmen; -

 

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

 

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):

- denn in der Sache, dass wir die Klimaanpassung vorantreiben und dass wir dem Klimawandel entgegenwirken müssen, sind wir uns einig. Wir unterscheiden uns nur im Weg.

Vielen Dank.

 

(Beifall bei der CDU/CSU - Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Handeln ist der Unterschied! „Macht was; aber tut nichts“ hilft nicht!)